Gelesen: »Die Bücherdiebin« von Markus Zusak

© Cover: »Die Bücherdiebin« von Markus Zusak / Blanvalet

© Cover: »Die Bücherdiebin« von Markus Zusak / Blanvalet

Tränen tropften auf die letzten Seiten des Buches und brennen sich dort unwiderruflich ein. Doch es stört mich nicht, denn »Die Bücherdiebin« hat mich begeistert, erstaunt und nicht nur zum Weinen, sondern auch zum Lachen gebracht. Meine Tränen sind nur das Ergebnis einer bewegenden Geschichte, die der 1975 in Australien lebende Markus Zusak geschrieben hat – sie darf Spuren hinterlassen.

Die Erzählungen seiner Eltern – die Mutter ist Deutsche, der Vater Österreicher – sollen es gewesen sein, die ihn dazu veranlassten eine Geschichte zu schreiben, die im 2. Weltkrieg spielt. Doch »Die Bücherdiebin« ist keine gewöhnliche Kriegsstory. Es ist der Tod selbst, der von seinen Erlebnissen berichtet und das auf so poetische und liebevolle Weise, das die Angst vor dem Tod – die wir alle mehr oder weniger in uns tragen – als nichtig erklärt werden kann.

Zum Inhalt

Im Vordergrund seiner Erzählung steht Liesel, ein neunjähriges Mädchen, das zusammen mit ihrem Bruder von ihrer Mutter zu Pflegeeltern gebracht wird. Doch auf der Reise stirbt ihr jüngerer Bruder – ein Erlebnis, das ihr noch Jahre später Albträume beschert. Bei seiner Beerdigung entwendet sie ein Buch, das dem Totengräber aus der Tasche fällt. Für sie ist dieses Buch wie das rettende Ufer für einen Ertrinkenden.

Die neue „Mama“ ist meist schlecht gelaunt und hat eine laute und ordinäre Aussprache. Als Saumensch bezeichnet sie Liesel und nicht selten fallen Worte wie Arschloch oder Saukerl.

Doch mit der Zeit lernt man die saumenschschimpfende Mama liebgewinnen, denn hinter ihrem garstigen Wesen steckt eine herzensgute Seele.

Den neuen Papa liebt Liesel sofort und es entwickelt sich eine tiefe Zuneigung zwischen ihr und dem Pflegevater Hans. Er zeigt ihr wie man Zigaretten dreht und da wäre noch das Akkordeon, auf dem er für sie spielt. Viel wichtiger aber ist das Lesen, das er Liesel beibringt. Bücher faszinieren sie, doch woher nehmen, wenn nicht stehlen? Bei der großen Bücherverbrennung rettet sie ein paar Bücher aus dem Feuer. Doch jemand – eine Frau – beobachtet sie dabei, was später in der Geschichte und viele Seiten weiter, Folgen haben wird.

Die Zeiten sind hart, die Juden werden verfolgt, das Geld ist knapp, es gibt nur noch wenig Arbeit und zu essen ist auch nicht viel da. Die Sorgen wiegen schwer. Doch die kleinen Freuden, die Liesel mit ihrem besten Freund Rudi erlebt, verdrängen die Nöte der Kriegsjahre.

Wunderbar wie Liesel und Rudi einen Pfennig finden und sich triumphierend Bonbons kaufen wollen. Doch dafür gibt es nur ein Bonbon und sie teilen es freundschaftlich. Sie lutscht zehn Mal, dann er – bis es aufgelutscht ist.

Doch sie teilen nicht nur alles, spielen nicht nur Fußball miteinander, sondern gehen auch zusammen auf Raubzüge – zunächst nur, um den Hunger, später um Liesels Lust auf Bücher zu stillen.

Und dann taucht Max auf, ein Jude und der Sohn eines Mannes, der Hans einmal das Leben gerettet hat und dafür seins geben musste. Hans, seine Frau Rosa und Liesel verstecken ihn im Keller. Die Angst vor der Entdeckung ist groß.

Ab und an schwebt der Tod zu anderen Orten, erzählt uns die Geschichten der anderen Personen. Doch immer wieder kehren wir zu Liesel zurück, sie ist der Mittelpunkt dieser Geschichte – sie ist die Bücherdiebin.

Es geht um ihre Erlebnisse – um das Leben eines Kindes im 2. Weltkrieg, aber das alleine würde den Inhalt des Buches nicht mal annähernd erklären.

Hier treffen wir auf Mut und Gegenwehr. Es geht um Respekt, um Liebe und Freundschaft, um das Heranwachsen im Krieg, das Verlieren von Freunden und Familie. Hier wird Stärke bewiesen und Hilfe angeboten. In »Die Bücherdiebin« geht es um alles und vor allem ums Leben.

Fazit

»Die Bücherdiebin« ist ein beeindruckendes Buch, voller Tiefgang. Es mag für Jugendliche ab 14 Jahren sein, aber dies ist kein Jugendbuch im herkömmlichen Sinne. Denn wer das Buch verschmäht, weil Kinder darin eine Hauptrolle spielen oder die Geschichte als Jugendbuch angepriesen wird, verpasst eine einzigartige Geschichte.

Ich kann nur sagen: Wenn der Tod solche Geschichten zu erzählen weiß, möge er bitte damit fortfahren.

Erster Satz

»Ich bin nach Kräften bemüht, dieser ganzen Angelegenheit eine fröhliche Seite zu verleihen, aber die meisten Menschen haben einen tief sitzenden Widerwillen, der es ihnen unmöglich macht, mir zu glauben, so sehr ich auch versuche, sie davon zu überzeugen.«

Besonderes Zitat, S. 563

»Ich habe die Worte gehasst, und ich habe sie geliebt, und ich hoffe, ich habe sie richtig gemacht.«

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Markus Zusak
Die Bücherdiebin
Originaltitel: »The Book Thief«
(Übersetzung: Alexandra Ernst)
Hardcover mit Umschlag und Lesebändchen
Blanvalet Verlag, 2005
587 Seiten
ISBN 978-3-7645-0284-3
19,95 €

Der Roman ist auch als Taschenbuch (9,99 €) und ebook (8,99 €) erhältlich – Stand: Oktober 2016.

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© Text: Nicole Rensmann
© Cover: »Die Bücherdiebin« von Markus Zusak / Blanvalet

Zuletzt aktualisiert: 13.10.2016

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