Interview Markolf Hoffmann – 2004

Drei, von mir geführte, Interviews erschienen in der 14. phantastisch! Ausgabe (2/2004). Beginnen möchte ich mit Markolf Hoffmann, der uns für die Print-Ausgabe eine Leseprobe des zweiten Teils der seiner Trilogie »Das Zeitalter der Wandlung« zur Verfügung stellte. Für eine Online-Version liegen jedoch keine Rechte vor, darum fehlt der Ausschnitt am Ende. Ebenso, nur in phantastisch! enthalten: Bilder, Cover und Werdegang.

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Nach dem Nebelriss

Im Gespräch mit dem Autor Markolf Hoffmann von Nicole Rensmann

Im Januar dieses Jahres erschien der erste Roman »Der Nebelriss« der Trilogie »Das Zeitalter der Wandlung« von einem eher unbekannten Autor des Genres: Markolf Hoffmann. Der zweite Band »Flammenbucht« ist für Herbst 2004, ebenfalls als Taschenbuch, eingeplant, so der Heyne Verlag, den Markolf Hoffmann von seinem Konzept überzeugte. »Ich habe mich ganz klassisch mit einem Exposé bei mehreren deutschen Verlagen beworben. Die Fantasy-Cheflektorin bei Heyne, Martina Vogl, hat daraufhin mein Manuskript angefordert und ließ sich sofort für »Nebelriss« begeistern. Ich bin ihr sehr dankbar, dass sie die Trilogie im Verlag durchgesetzt hat. Es ist schon bemerkenswert, dass auch große Verlage Interesse an guter Fantasy zeigen und sich für Neuautoren engagieren.«

Nachdem er bereits mehrfach erfolgreich an Wettbewerben teilnehmen konnte, gewann Markolf Hoffmann schließlich 1999 ein Stipendium des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes für einen einjährigen Aufenthalt in London, wo er die britische Literatur der 90er Jahre näher erforschte. Im Jahre 2003 erschien seine Kurzgeschichte »Ein meisterliches Mahl« in der Anthologie »Tolkiens Geschöpfe« beim Heyne Verlag. In seiner relativ kurzen Publikationsliste erscheint keiner der typischen Kleinverlage, wie es häufig bei deutschen Autoren des Phantastischen Genres der Fall ist.

»Eigentlich ist es eher Zufall.« meint er, »dass Nebelriss bei einem so großen Verlag gelandet ist, denn ich hatte auch mehrere Kleinverlage angeschrieben. Letzten Endes war Heyne der erste Verlag, der wirklich ernsthaftes Interesse an dem Manuskript gezeigt hat. In Zukunft könnte ich mir aber durchaus auch eine Zusammenarbeit mit kleineren Verlagen vorstellen, z.B. für eine Veröffentlichung meiner phantastischen Kurzgeschichten oder für andere schräge Konzepte. Mir spukt da auf jeden Fall einiges im Kopf herum.«

Das Thema Literatur beschäftigt ihn von klein auf an. Schon mit fünf Jahren habe er sein erstes kleines Bilderbüchlein entworfen und seiner Mutter die Begleittexte diktiert. »Der explizite Wunsch, das Schreiben professionell zu betreiben, kam etwa mit sechzehn«, berichtet er. »Ab diesem Zeitpunkt habe ich aktiv an zahlreichen Literaturwettbewerben teilgenommen und dort auch Erfolge erzielt. Der Schritt von der Kurzgeschichte zum Roman war dann die logische Folge. Dass mein erstes Werk eine Fantasy-Trilogie wird, stand damals freilich noch in den Sternen; der Großteil meines Schaffens liegt bis heute außerhalb der klassischen Phantastik, auch wenn ich schon immer phantastische Elemente in meine Geschichten einfließen ließ.«

Ein literarisches Vorbild, das ihm speziell bei »Das Zeitalter der Wandlung« Pate stand, gibt es nicht, zumal er sich in der Fantasy gar nicht so gut auskenne, erzählt Markolf Hoffmann. Im Gegenteil versuche er mit dieser Trilogie neue Pfade zu beschreiten, vor allem was Charaktervielfalt und Stilistik betrifft, recherchierte er auch umfangreich für die Bücher. »Als Berliner Student kann ich natürlich auf zahlreiche Spezialbibliotheken zurückgreifen. Unter anderem habe ich mich für ein Kapitel über die alten, im frühen Mittelalter abgeholzten europäischen Urwälder informiert, denn ich wollte eine wirklich unheimliche Waldatmosphäre erzeugen. In dem genannten Kapitel überfällt eine Gruppe Aufständischer einen Trupp geheimnisvoller Wesen, die durch den uralten, verwilderten Arkwald ziehen – eine atmosphärisch sehr dichte Szene, in der die Angst der Angreifer vor dem Unbekannten greifbar wird.«

Nach der Beendigung eines größeren Projekts beschäftigt sich jeder Autor stets mit der Frage, was folgt als Nächstes. Meist liegt noch vor dem Abgabetermin des fertiggestellten Manuskripts eine wunderbare Idee im Rinnstein, die nur herausgezogen und bearbeitet werden muss, um ihre literarische Schönheit zu entfalten. Auch Markolf Hoffmann hat bereits weitere Pläne: »Nach „Nebelriss“ folgen zunächst zwei weitere Bände der Trilogie „Das Zeitalter der Wandlung“. Zeitgleich arbeite ich an einem zeitkritischen Roman mit dem Titel „Die Neumondgesellschaft“, der sich mit den Auswirkungen der Leistungsgesellschaft auf meine Generation beschäftigt; eine Erzählung, die zwar phantastische Elemente beinhaltet, doch vor allem unsere triste Gegenwart samt ihrer sozialen Kälte anprangert. Allerdings habe ich bisher keinen Verlag für diesen – wie ich finde – hochspannenden und seltsamen Roman gefunden.«

Auf die Frage, ob er sich auch vorstellen, könne an einer Serie wie zum Beispiel »Das Schwarze Auge« mitzuschreiben, antwortet er: »Ich möchte das nicht von vornherein ausschließen; es gab sogar schon Überlegungen in diese Richtung. Allerdings wird man als Autor einer solchen Serie schnell in eine recht enge Schublade gesteckt. Zurzeit möchte ich mir alle Optionen offen halten, hoffe aber, nicht allein auf die Fantasy-Schiene festgelegt zu werden.«

Zumal er den Schreibprozess realistisch und kritisch zu betrachten scheint. »Ich sehe den Schreibprozess in erster Linie als Arbeit an – kreative Arbeit, die im Idealfall eine Menge Spaß macht, die aber auch sehr schweißtreibend und anstrengend sein kann. Auf jeden Fall zähle ich nicht zu den Menschen, die problemlos zehn Seiten am Tag aus dem Ärmel schütteln; ich feile gern an den Sätzen, die ich niederschreibe, lege großen Wert auf den Stil und auf einen spannenden Handlungsverlauf. In Zukunft würde ich beim Schreiben gerne noch mehr experimentieren, sowohl inhaltlich als auch sprachlich.«

Markolf Hoffmann schreibt meist in den Abend– und Nachtstunden. Der obligatorische Kaffee begleitet ihn während der Anfangsphase, bei kreativen Aussetzern gibt es frischen Obstsalat oder ein Gläschen Wein. Gelegentlich hört er neben dem Schreiben auch Musik, was dann durchaus die Atmosphäre des Textes beeinflussen kann. Welche Musik er bevorzugt, und was außer Obstsalat und Kaffee auf seinem Speiseplan steht, verrät er ebenfalls: »Als erprobter Langzeitstudent bin ich meisterhaft in der Zubereitung rascher und reichhaltiger Gemüsepfannen. Musikalisch geht es bei mir etwas deftiger zu: NuMetal und Alternative Rock, u.a. System of a Down, Queens of the Stone Age, Deftones, The Rapture, Apocalyptica, Trail of Dead … Nebenbei: Ich spiele selbst seit vielen Jahren Klavier und bin Pianist und Songwriter der parodistischen DarkWave-Band „Wolfgang Schergen“, die gerade ihre erste CD fertiggestellt hat – demnächst zu beziehen über meine Homepage.«

Auf der offiziellen Website zu der Trilogie findet sich eine Vorabgeschichte zu »Nebelriss« mit dem Titel »Der Preis des Verrats« lesen. Seit Januar nun erhält der Leser Informationen zum Roman und zu der Welt Gharax. Die Resonanz zu diesem Angebot beschreibt der Autor, wie folgt: »Ich hatte, um ehrlich zu sein, mit mehr Resonanz gerechnet, aber es scheint eben doch recht schwer zu sein, als Neuautor auf sich aufmerksam zu machen. Die wenigen Reaktionen waren durchweg positiv, das Konzept wurde einhellig gelobt. Ich werde auch in Zukunft meine Webseite regelmäßig pflegen und versuchen, den Lesern etwas Außergewöhnliches zu bieten.«

Lange Zeit wünschte er in der Filmindustrie zu arbeiten, doch »… das ungute Klima an den Filmhochschulen hat mich frühzeitig abgeschreckt in diese Richtung einzuschwenken.« Stattdessen lebe er nun seine Leidenschaft für das Filmen in seiner knapp bemessenen Freizeit aus. Doch: »Nach dem Studium würde ich gerne im Medienbereich tätig werden. Mein großer Wunsch wäre es, eines Tages als professioneller Drehbuchautor zu arbeiten. Mal sehen, ob sich über die Romanschreiberei etwas in dieser Richtung erreichen lässt.«

Mit dreizehn Jahren verschlug es ihn durch widrige Umstände nach Scheer an der Donau, einen winzigen Ort im tiefsten Oberschwaben, wo der 1975 in Braunschweig geborene Markolf Hoffmann mit einer jüngeren und einer älteren Schwester, einen Großteil seiner Jugend verbrachte. Seine Mutter arbeitet als Kunstlehrerin in Oberschwaben, sein verstorbener Vater war an der TU Braunschweig tätig.

»Nun lebe ich schon seit Jahren in Berlin, eine Stadt, die mir sehr ans Herz gewachsen ist. Neben dem Studium und dem Schreiben engagiere ich mich als Regisseur und Drehbuchautor in Kurzfilmprojekten und spiele in einer Dark-Wave-Band.«

Seine Hobbys nehmen viel Zeit in Anspruch, wie er behauptet: »Ich gehöre leider zu den Menschen, die mehr Hobbys haben, als ihnen gut tut. Da ist erstmal die bereits erwähnte Filmleidenschaft – zurzeit schneide ich mein neuestes Werk, eine ziemlich absurde Horrorgroteske. Außerdem höre ich gerne Musik, spiele ab und an ein Computer- oder Brettspiel, liebe Kino und Theater gleichermaßen und lese natürlich eine Menge. Ganz zu schweigen von dem abwechslungsreichen Berliner Nachtleben …

Und wenn er doch einmal in Ruhe zu Hause sitzt, greift er zu einer interessanten Literaturmischung: »Zu meinen Lieblingsautoren gehören Italo Calvino und die Gebrüder Strugatzki. In der Fantasy und Science-Fiction haben mich vor allem George Martins „Song of Ice and Fire“ und Dan Simmons „Hyperion-Gesänge“ beeindruckt. Ansonsten lese ich gern zeitgenössische Romane, z.B. Viktor Pelewin oder den grandiosen ostdeutschen Autor Reinhard Jirgl. Zum neuen Jahr habe ich mir wieder mal eines meiner Lieblingsbücher vorgenommen: „Ulysses“ von James Joyce – schwierig zu lesen, aber ein absolutes Meisterwerk. Die stilistische Kühnheit dieses Romans beeindruckt mich jedes Mal aufs Neue.«

Nur in der deutschen phantastischen Szene kennt er sich noch nicht allzu gut aus, gibt er zu, habe allerdings während der Buchmesse 2003 einige Autoren und Verleger kennen gelernt und war sehr angetan von dem freundschaftlichen Umgang, der dort herrschte.

»Von den vielen jüngeren und älteren Autoren der deutschen Phantastik kenne ich allerdings nur wenige. Die Kurzgeschichten von Malte S. Sembten fand ich sehr ansprechend, ebenso den Roman „Polyplay“ von Marcus Hammerschmitt. Besonders angetan bin ich von dem Autor Tobias Meißner, der mit den Romanen „Starfish Rules“, „HalbEngel“ und „Hiobs Spiel“ absolute Kultbücher geschrieben hat – meiner Meinung nach der originellste und sprachlich stärkste Autor der jüngeren deutschsprachigen Phantastik.«

Webtipps:

www.nebelriss.de – Die offizielle Seite zu Buch und Autor

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(c) Nicole Rensmann / phantastisch!

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