Gelesen: »Der Kinderdieb« von Brom

Erster Satz des Prologs: »Heute Abend würde sie wieder geschehen: die wirklich schlimme Sache.«

»Der Kinderdieb« alias Peter stiehlt die Kinder nicht, sondern holt sich verzweifelte, verängstigte Kinder oder welche, die alleine sind. Er rettet sie aus furchtbaren Situationen und erweist sich für den Moment als Held und cooler Typ, doch während dem Leser durch Peters Bemerkungen klar wird, dass er es nicht wirklich gut meint, hoffen die Kinder auf eine neue Chance und gelangen durch einen dichten Nebel in eine andere Welt. Avalon. Das Land ist jedoch nicht mehr fruchtbar, sondern wird von bösartigen Monstern bewohnt und einer kleinen Truppe von Kindern, die alle von Peter dort hingebracht wurden – die einen sind stolz darauf, die anderen verfluchen sich, dass sie auf Peter reingefallen sind.

Im Laufe der Parallelhandlungen erzählt Peter, als Baby – begabt, wissend, sprechend und gehend – verstoßen von der eigenen Familie, aufgewachsen im Wald, wie er zum Kinderdieb wurde.

Das Buch raubt Illusionen und Hoffnung, es spiegelt den negativen Bereich unserer Welt wieder: Missbrauch, Gewalt.

Es stellt das Leben der Protagonisten der heutigen Tageszeitung dar: Jugendliche auf dem Abstellgleis, voller Hass, Frustration, aufgezogen mit Gewalt, genährt mit Missbrauch, gesäugt mit Ignoranz.

»Der Kinderdieb« schmerzt, er reflektiert unsere Gesellschaft und Peter Pan ist kein wahrer Retter, sondern ein Verräter.

Es ist eine teils provokante, teils erschreckende, düstere und blutige Geschichte eines Mythos, der durch die Trickfilm-Version von Disney verniedlicht wurde. Der Autor Brom erzählt in seinem Nachwort, das sich jedoch an dem Original »Peter Pan« von James Barrie gehalten hat und die Grausamkeiten von Peters gegründeter Gang herausstellt.

Mithilfe verschiedener mythologischer Figuren und Orte schafft Brom nur teilweise ein neues Werk über »Peter Pan«, denn die Grundidee bleibt.

Letztendlich gibt es nichts Schlechtes über dieses Buch zu schreiben. Der Schreibstil  hebt sich stilistisch deutlich von anderen Fantasyromanen ab. Die menschlichen Charaktere sind ausgearbeitet und – wer mag – kann sich damit identifizieren.

Dennoch:  Mir hat es nicht gefallen. Das ist absurd und kann nur damit erklärt werden, dass ich solche Art von Büchern als Filme liebe, geschrieben jedoch normalerweise meide.

»Der Kinderdieb« wurde für den RPC Fantasy Award nominiert.

Brom
Der Kinderdieb
Hardcover mit Schutzumschlag
Mit Illustrationen vom Autor
Originaltitel: »The Child Chief«
Übersetzung: Jakob Schmidt
Pan Verlag, Februar 2010
ISBN 9783426283295
655 Seiten
16,95 €
 

 

© Cover: Pan Verlag

© Text: Nicole Rensmann

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