In der phantastisch! Ausgabe 2/2003 – No. 10 erschien das vierseitige Interview mit Dan Simmons.
Die im Heft abgedruckte Bibliographie, so wie die Grafiken entfallen in dieser Online-Version.
»SCHRIFTSTELLER LIEBEN ES, NEUE DINGE DAZU ZU LERNEN …«
Interview mit Dan Simmons von Nicole Rensmann
Dan Simmons wurde am 04. April 1948 in Illinois geboren. Er schreibt mit einem Hauch des Besonderen, einer Vielfältigkeit, die ein anspruchsvolles Publikum benötigt. Seine erste Veröffentlichung wurde mit dem World Fantasy Award ausgezeichnet, zahlreiche weitere Auszeichnungen folgten, dennoch ist Dan Simmons noch heute, nach nunmehr 17 Jahren, längst nicht so bekannt wie seine amerikanischen Schriftstellerkollegen Stephen King oder Dean Koontz. Doch eines hat der sympathische und humorvolle Amerikaner seinen Kollegen voraus: Er schätzt den Kontakt zu Fans und Presse, so beantwortete er die Interviewfragen nicht nur innerhalb eines Tages, sondern erwies sich auch sonst als kooperativer Interviewpartner. Beeindruckend!
Mr. Simmons, wie würden Sie sich selbst gegenüber jemandem beschreiben, der Sie nicht kennt?
Nun, das kommt ganz auf den Zusammenhang an, nicht wahr? Wenn ich einen Fremden in einem Bahnhof treffen und ihm meine Beschreibung geben sollte, würde ich wohl sagen „Halten Sie Ausschau nach einem leicht übergewichtigen, grauhaarigen Amerikaner mit einem kurz gestutzten Bart.“ Wenn es dagegen das Nobelpreis-Komitee wäre, welches nach einer Beschreibung fragte, würde ich nur sagen „Würdig.“
Wann haben Sie mit dem Schreiben von Geschichten begonnen? Wann wussten Sie, dass Sie Schriftsteller werden wollten?
Ich begann schon als Junge mit dem Schreiben – mit 8 oder 9 – und beschloss noch, bevor ich zum College ging, dass es eine interessante Art wäre, seinen Unterhalt damit zu bestreiten, obwohl ich da noch nicht auf Fiction festgelegt war. Doch nach dem College und der Universität wurde ich Grundschullehrer – und liebte es. Erst zehn Jahre nach meinem College-Abschluss begann ich wieder, über das Veröffentlichen nachzudenken.
Wann schrieben Sie Ihre erste ernsthafte Kurzgeschichte, und wurde sie jemals veröffentlicht?
Ich habe mindestens eine Kurzgeschichte von professionellem Kaliber geschrieben, als ich noch neu am Wabash College war. (Diese habe ich später in meinen Roman »In der Schwebe« eingearbeitet. Henry James hat einmal gesagt, „Ein Schriftsteller ist ein Mensch, dem nichts entgeht.“ Ich sehe das eher so, dass ein Schriftsteller eine Person ist, die nichts vergeudet.) Im Sommer des Jahres 1979 schrieb ich eine Geschichte mit dem Titel »Der Styx fließt bergauf«, und als ich gerade den ersten Satz tippte, dachte ich bei mir – Dies wird meine erste veröffentlichte Geschichte werden. Und sie wurde es. Aber nicht, bevor es ein wenig Theater darum gegeben hatte: Im Sommer 1981 gab ich die Idee auf, Schriftsteller zu werden und besuchte – paradoxerweise – einen Autoren-Workshop, an dem mehrere professionelle Schriftsteller teilnahmen, die ich bewunderte, eingeschlossen Harlan Ellison. Da ich nicht mehr auf Veröffentlichungen aus war, wollte ich lediglich die Autoren reden hören, aber man musste eine Geschichte einreichen, um am Workshop überhaupt teilnehmen zu dürfen. Harlan Ellison las diese Geschichte im Rahmen einer öffentlichen Sitzung vor, welche mittlerweile Legendenstatus besitzt, und erklärte mir, dass ich unbedingt beim Schreiben bleiben musste – dass nur sehr wenige Leute, die schreiben wollten, auch die Musik hörten, aber für diejenigen, die es konnten, sei es eine Verpflichtung. Er drängte mich, die Story bei einem nationalen Kurzgeschichten-Wettbewerb einzureichen (für unveröffentlichte Autoren), der zu der Zeit vom Twilight Zone Magazine ausgeschrieben worden war. Es stellte sich heraus, dass bei dem Magazin mehr als 12.000 Beiträge eingingen, aber »Der Styx…« schaffte es bis zum ersten Platz. Das Heft erschien am 12. Februar 1982, am selben Tag, an dem unser einziges Kind Jane zur Welt kam… aber das ist eine andere Geschichte.
Sie haben Ihren Lehrerberuf an den Nagel gehängt, um sich nur auf das Schreiben zu konzentrieren. Doch auch bei Ihnen gab es zu Beginn Probleme, Ihre Geschichten auf dem Buchmarkt zu etablieren. Nach Ihrem preisgekrönten Erstlingswerk »Göttin des Todes« (1985) erschienen erst 1989 drei weitere Romane von Ihnen: »In der Schwebe«, »Kraft des Bösen« und »Hyperion«. Ihre Frau stärkte Ihnen in dieser Zeit den Rücken, sowohl finanziell als auch emotional. Wie ist die Rollenverteilung heute im Hause Simmons?
Die Kluft zwischen der Veröffentlichung von »Göttin des Todes« im Jahr 1985 und denen dieser drei nächsten Romane im Jahre 1989 war eigentlich nicht direkt ein Resultat von „Etablierungsproblemen“. Tatsächlich gewann »Göttin des Todes« den World Fantasy Award, und zwar als erstes Erstlingswerk, dem dies gelang. Und auch Dean Koontz wurde darauf aufmerksam, der mir später großzügig half, ein Zuhause für »Kraft des Bösen« zu finden.
Die meiste Zeit zwischen diesen Jahren 1985-1989 brauchte ich, um diese drei Bücher zu schreiben, obwohl ich auch noch damit beschäftigt war, ein wunderbares Begabungs- und Talentprogramm ins Leben zu rufen, zu verwalten und zu lehren, welches in öffentlichen Schulen für mehrere Tausend begabte junge Studenten angeboten wurde. Also schrieb ich größtenteils während der Sommer, spät in der Nacht und in den frühen Morgenstunden.
Die Rolle meiner Frau Karen war, damals wie heute, nicht die finanzielle Unterstützung, sondern die Courage, an mich zu glauben, als ich den Lehrerjob 1987 aufgab, um nur noch zu schreiben. Wir brauchten unsere gesamte Lehrerrente auf, als ich mich darauf konzentrierte, zu schreiben und diese drei Romane zu veröffentlichen. Die Bücher waren sehr erfolgreich, jedes auf seine Art.
Verfassen Sie Ihre Romane anhand eines Exposés oder schreiben Sie eher aus dem Bauch heraus?
Beides. Ich beginne jeden Roman mit einer Idee, Notizen und manchmal – wie bei »Fiesta in Havanna« (über Ernest Hemingway) oder »Das Schlangenhaupt« (über Unfallversicherungs-Betrug) oder »Ilium« (welches auf Homers »Ilias« basiert) – mit umfangreichen Notizen und eingehenden Recherchen. Aber in jedem Fall warte ich dann auf eine „Beschleunigung“ – im alten Hebammen-Sinn, diesen Punkt, an dem das Projekt lebendig wird und einen eigenen Herzschlag, eigene Lebensfähigkeit entwickelt.
Gibt es Schriftsteller, die Sie als Ihre Vorbilder bezeichnen können? Welches Werk hat Sie besonders beeindruckt?
Hier kann ich im Grunde keine einzelne Quelle zitieren. Wie das für die meisten Autoren gilt, lese ich unaufhörlich und weit gestreut, und obwohl ich sicherlich Lieblingsromane habe, bleibt mein Stil mein eigener, selbst wenn ich Gliederung, Technik und weitere Elemente aus vielen anderen Werken ausleihe. Die letzten zwei Jahre, die ich mit tiefgehenden Recherchen über die »Ilias« zugebracht habe, waren wunderbar. Was viele Leute nicht realisieren ist, dass wir Schriftsteller es lieben, neue Dinge dazuzulernen und diese dann mit Anderen zu teilen.
Einige ihrer Bücher spielen nicht in den USA, »Göttin des Todes« zum Beispiel spielt in Indien, »Kinder der Nacht« in Rumänien, »Fiesta in Havanna« spielt in Kuba. Besuchen Sie die Schauplätze Ihrer Werke grundsätzlich selbst, und wenn ja, reisen Sie, um zu schreiben oder schreiben Sie über einen Ort, der einen besonderen Eindruck auf Sie gemacht hat?
Ich bin schon zu Orten gereist, um dort für zukünftige Romane zu recherchieren – Rumänien, Bangkok, Japan, Hong Kong – und ich habe auch schon über Orte geschrieben, die ich aus ganz anderen Gründen bereist hatte – Indien, Buffalo, NY, Peoria, Illinois, Hawaii, Paris. Beide Richtungen funktionieren. Ich gebe zu, dass ich es schon immer gehasst habe, Tourist zu spielen – ich habe viel lieber einen GRUND dafür, an einem speziellen Ort der Welt aufzutauchen – und deshalb machen Unternehmungen wie nach dem Schloss und der Heimat des historischen Draculas zu suchen, mit rumänischen Dichtern und Professoren zu sprechen etc., viel mehr Spaß als einfach Orte zu besuchen und Fotos zu schießen. Normalerweise führe ich Notizbücher mit meinen Eindrücken.
In dem »Hyperion«-Zyklus wandert die Menschheit aus und siedelt sich u. a. auf einem Planeten mit dem Namen Castrop-Rauxel an. Haben Sie den Namen aus einer Deutschlandkarte abgeschrieben oder verbindet Sie etwas Tiefgehendes mit diesem Ort bzw. mit Deutschland an sich?
Es gibt eine Verbindung zu Castrop-Rauxel, aber sie ist eher thematischer Natur. Kürzlich hörte ich, wie ein Filmstudent einen Regisseur befragte, und der Student bezog sich auf etwas in dem Film des Regisseurs und fragte, „Haben Sie das absichtlich so dargestellt?“ Der Regisseur seufzte und sagte, „Es ist ein Film, nicht das Leben. ALLES ist absichtlich so gemacht.“ Dito in der Schreiberei – obwohl hier manches Vorsätzliche unterbewusst sein mag.
Bleiben wir noch ein wenig bei dem »Hyperion«-Zyklus, der aus vier Bänden und einer Kurzgeschichte besteht: »Hyperion«, »Der Sturz von Hyperion«, »Endymion – Pforten der Zeit«, »Endymion – Die Auferstehung« und die Kurzgeschichte »Orphans of the Helix«. In den Romanen spielt das Shrike eine sehr undurchsichtige Rolle, eigentlich ein hässliches und grausames Wesen, das für Ihre Leser und Sie selbst jedoch ein bleibendes Erinnerungsbild hinterlassen hat. So findet sich der Name in Ihrer Email-Adresse wieder, auf Ihrer Website begegnet uns das Shrike mehrmals und für viele Leser scheint das Shrike die Verkörperung Ihres Schaffens zu sein.
Wie erklären Sie sich dieses Phänomen? Was bedeutet Ihnen das Shrike?
Das Shrike kann gar nicht „die Verkörperung [meines] Schaffens“ sein. Der Großteil meiner Bücher ist außerhalb der SF angesiedelt, sogar außerhalb der Fantastischen oder der Horror-Literatur. Das Shrike ist ein Spaß-Einfall – eine Art Rorschach-Test für jeden Leser – ein Charakter, teils Gott, teils Monster, teils Racheengel. Ich habe „Shrike“ als Teil meiner E-Mail-Adresse in der Hektik des Tages gewählt, an dem ich mich vor vielen Jahren das erste Mal ins Internet einklinkte, um an einem OMNI-Interview teilzunehmen – einem Interview, welches sich größtenteils mit den Hyperion-Büchern befasste. Oftmals sind es die Dinge, die wir hektisch tun, die dann zurückkehren und uns verfolgen.
Aber, wenn das Shrike mich wirklich verfolgt, ist es ein freundlicher Spuk. Wie die Besucher meiner Website wissen, habe ich vor zehn Jahren einen ehemaligen Schüler, der jetzt ein bekannter Bildhauer ist, beauftragt, eine knapp drei Meter große Statue des Shrike anzufertigen; und die mit Klingen und Stacheln versehene Aluminium- und Stahlkreatur steht noch immer auf dem Berghang über meiner Hütte in den Rocky Mountains. Und warum auch nicht? Schließlich waren es die Lizenzgebühren und ausländischen Verkäufe der Shrike-gefüllten Hyperion-Bücher, welche mir erlaubten, diese wundervolle Hütte und das Grundstück in den Bergen zu erwerben.
Ihre Leser warten schon lange darauf, jetzt endlich soll »Hyperion« verfilmt werden.
Werden Sie das Drehbuch dazu selbst schreiben? Gibt es bereits Rollenbesetzungen? Erzählen Sie uns ein wenig über dieses Projekt!
Ich zögere ein wenig, zu viel über das mögliche Hyperion-Projekt zu verraten, da bisher noch keine Ankündigungen von den involvierten Studios gemacht wurden, aber das Interesse daran, »Hyperion« auf die Leinwand zu bringen, ging von dem Regisseur Martin Scorsese und dem Darsteller Leonardo DiCaprio aus. Natürlich, wie das bei solchen Projekten nun mal ist, werden viele berufen, aber nur wenige auserwählt – zu adaptierende Bücher, meine ich. Wir werden sehen, was passiert.
Ich habe ein Drei-Filme-Exposé für das Hyperion-Epos verfasst, welches die Basis für das Interesse von Regisseur und Studio bildete, habe jedoch nicht vor, selbst ein Drehbuch zu entwerfen.
Welches Ihrer anderen Bücher sähen Sie gern als Verfilmung, was wäre Ihre Wunschbesetzung?
Momentan sind mehrere meiner Romane im Gespräch, aber meine Frau und ich genießen es am Meisten, »Fiesta in Havanna« in unseren Köpfen durchzucasten, welcher von Ernest Hemingway’s Spionagegruppe im Kuba des Jahres 1942 handelt. Welcher Darsteller würde den besten 42-jährigen Hemingway geben? George Clooney? Mel Gibson? Und wer könnte die hübsche 27-jährige Ingrid Bergman spielen? (Isabella Rossellini, ihre Tochter, ist leider zu alt!) Oder den 33-jährigen Ian Fleming? (Hugh Grant?) Oder die 40-jährige Marlene Dietrich? (Madonna?) Oder den 43-jährigen J. Edgar Hoover? All diese Leute gibt’s in der Geschichte, und selbst die nicht prominenten Charaktere würden gute Rollen abgeben. Die Person des Irisch-Mexikanischen FBI-Mannes und Killers Joe Lucas, der in seinem ganzen Leben noch kein Buch gelesen hat, hat das – wenn auch flüchtige – Interesse von Benicio del Toro geweckt.
Ihre Bücher und Kurzgeschichten sind in den unterschiedlichsten Genren zu finden: Horror, Science-Fiction, Krimi, Spionage und Mainstream. Gibt es ein Genre, in dem Sie sich selbst besonders wohl fühlen? Benötigen Sie die Abwechslung beim Schreiben? Wird es gar irgendwann mal ein Märchen für Kinder von Dan Simmons geben?
Jedes Genre hat seine eigenen Ausdrücke und Formeln und spezielle Anforderungen, und um gut in unterschiedlichen Genren zu schreiben, muss man die Regeln lernen, die besten (und schlechtesten) Werke des Fachgebiets studieren und das Genre bescheiden, aber ambitioniert betreten. Sie alle verlangen unterschiedliche Gedankengänge und Fähigkeiten – welche manchmal auch exakte Gegensätze bilden, so wie die kühle Logik der SF im Gegensatz zum psychologischen und emotionalen Horror – und es ist nicht leicht, die Grenzen zwischen den Genren zu überschreiten. Das ist möglicherweise der Grund, warum viele Autoren es erst gar nicht versuchen.
Nach 18 Jahren Grundschul-Lehrtätigkeit lockt es mich eigentlich nicht, jemals ein Kinderbuch zu schreiben. Andererseits habe ich über 300 Seiten eines Kinderbuches inklusive Zeichnungen in einem Notizbuch, welches ich vor 20 Jahren handschriftlich geführt habe. Es ist eine ziemlich kindgerechte Geschichte – ich habe meinen Schülern täglich eine halbe Stunde daraus vorgelesen – und sie hat faszinierende Charaktere, wie Pernica die Neokatze, Raul den Zentaur, Dobby Su Lan den Zauberaffen, die Kinder Tycho und Glee und ein Angst einflößendes Monster namens Shrike.
Gibt es ein Buch unter Ihren eigenen Büchern, das Ihnen ganz besonders am Herzen liegt? Wenn ja, warum?
Mein Roman »In der Schwebe« hat immer eine besondere Resonanz in mir hervorgerufen. Möglicherweise, weil die Person des Ex-Apollo-Astronauten Richard Baedecker eine Erkenntnis suchende Reise begeht, die meiner eigenen nicht ganz unähnlich ist.
Auf Ihrer Website kündigen Sie bereits eine neue Science-Fiction-Saga an. Der erste Teil mit dem Titel »Ilium« soll 2003 erscheinen. »Olympos« folgt dann 2004.
Es wäre schön, wenn Sie dem Leser ein wenig vom Inhalt preisgeben würden.
»Ilium« – mit ganzen 1054 Manuskriptseiten – wurde erst vor ein paar Wochen fertiggestellt. Es ist die ambitionierteste lange Geschichte, die ich jemals zu erzählen versucht habe. Obwohl sie eigentlich 3000 Jahre in der Vergangenheit spielt, habe ich sie 2000 Jahre in unsere Zukunft verlegt, und zwar in’s Jupitersystem, auf den terraformten Mars, auf Olympos, wo die griechischen Götter – oder etwas Ähnliches – wieder herrschen, und auf die Erde, wo die Menschheit solche Kleinigkeiten wie Geschichte, die Kunst des Lesens, die Gesellschaft und Familienbildung vergessen hat. Und in den äquatorialen und polaren Orbitalringen über und um die Erde leben die Post-Humanen. Oder doch nicht? Vielleicht hat sich die sphärische Wesenheit namens Prospero oder sein selbstgeschaffenes Monster Caliban oder Caliban’s „Gott“ Setebos bereits der Post-Humanen entledigt. Und durch dies alles windet sich die übermächtige Geschichte der Ilias, in welcher kein Mann (und keine Frau) eines anonymen Todes stirbt und in der alles von einem lebenswichtigen, mächtigen Elixier, der Vortrefflichkeit ausgefüllt wird, welche nicht nur in dieser Zukunft des Menschen vergessen worden ist, sondern auch in unserem eigenen Zeitalter der weinerlichen Mittelmäßigkeit. »Ilium« und »Olympos« werden auf einer wirklich großen Leinwand gemalt.
Der Kontakt zu und unter Ihren Fans ist Ihnen sehr wichtig, so bieten Sie ein Forum auf Ihrer Website an und unternehmen Lesereisen, um ihre Bücher zu präsentieren. Als erfolgreicher, vielbeschäftigter Autor ist das eher selten. Wie beurteilen Sie den Kontakt zu den Fans?
Ich genieße den Kontakt mit den Lesern und sehe es als Teil meiner Autoren-Rolle an, gelegentlich an solchen Dialogen teilzunehmen, aber den größten Teil meiner Zeit widme ich dem Schreiben oder meiner Familie oder meiner Privatsphäre. Denn meine begrenzte Berühmtheit lässt mich weder besser schreiben, noch verbessert sie die Bücher, welche ich bereits geschrieben habe, und deshalb meide ich solche Veranstaltungen wie SF-Conventions. Alles in allem stimme ich der Gesinnung zu, dass Schriftsteller ihren „Fans“ nichts schulden… das heißt, nichts außer der bestmöglichen Arbeit an dem nächsten Buch. Und dem danach.
Haben Sie eine besonders schöne oder sehr negative Erfahrung mit einem Fan gehabt?
Nicht wirklich. Viel zu viel des SF-Fandoms ist wie ein Hass-Liebe-Verhältnis zwischen den Fans und den Autoren. Es ist zu extrem und ähnelt nicht dem ruhigen, unpersönlichen und doch wieder persönlichen Verhältnis zwischen den meisten Lesern und ihren Autoren. Fandom tendiert dazu, ein SF-Phänomen zu sein, und dieser Tage kennen mich viele, wenn nicht die meisten meiner Leser durch die andere Fiktion, die ich schreibe.
In welcher Epoche würden Sie gern leben? In welchen Körper würden Sie schlüpfen, wenn Sie nicht Dan Simmons sein dürften?
In welchen Körper ich schlüpfen wollte? Sophia Loren’s!! (Hier zeigt sich mein Alter.) Was die Epoche angeht, würde ich besonders gerne den 10. August des Jahres 2316 besuchen, einen Mittwoch, so um Tea Time.
Welches Buch/Magazin etc. lesen Sie zurzeit?
Ich lese ungefähr so alle drei Tage ein Buch, aber momentan komme ich endlich mal dazu, Neal Stephenson’s »Cryptonomicon« zu lesen, und das Teil verlangsamt meine Bücher-pro-Woche-Rate! Welch eine arrogante und doch wunderbare tour de force. Die Magazine auf meinem Nachttisch beinhalten den »Backpacker«, »Scientific American«, »PC Magazine«, »Architectural Digest«, »Newsweek«, »Road & Track« und »The Santafean« (über Santa Fe, New Mexico, wo ich gerne mal leben würde).
Was macht der Mensch Dan Simmons, wenn er nicht schreibt, Lesungen gibt oder Interviewfragen beantworten muss?
Selbst wenn der Typ nicht schreibt, tendiert er zum Schreiben, muss man traurigerweise sagen. Es gibt keinen langweiligeren Zuschauersport auf der Welt als einem Schriftsteller dabei zuzusehen, wenn er über seine Arbeit nachdenkt. Aber ich liebe es, Zeit mit meiner Frau und meiner das College besuchenden Tochter zu verbringen, genieße die Zeit allein auf meiner Hütte in den Bergen oder wandere, lese jeden Tag, korrespondiere mit meinen Freunden in der ganzen Welt und habe eine neue Leidenschaft entdeckt: DVD-Filme, die ich auf einem hochauflösenden Anderthalb-Meter-Plasmabildschirm in meinem eigenen kleinen Dolby-Digital-Surround-Sound-Heimkino spiele, welches ich mir zusammengeschustert habe. Wenn man sich High-Definition-Übertragungen oder großartige Filme in DVD-Qualität auf solch einem Bildschirm ansieht, möchte man nie mehr ins Kino gehen, wo das Publikum größtenteils aus schallend lachenden, herumquatschenden Tölpeln besteht, welche ganz offensichtlich alle an Aufmerksamkeits-Defizit-Störungen leiden.
Welche Pläne hegen Sie für die Zukunft?
Die nahe Zukunft – meine Tochter an ihrem College im Staat New York besuchen, auf ihrem Seminar für Fortgeschrittene reden, in dem sie eine meiner Novellen als Teil ihres Lehrplans über „Fiktion und Zeit“ gelesen haben, ein bisschen für meinen nächsten „Joe Kurtz“-Roman in Buffalo, New York recherchieren (der voraussichtlich im Februar 2003 erscheinen wird), dann werde ich nach Colorado zurückkehren, das Kurtz-Buch schreiben, dann die ungefähr tausend Seiten von »Olympos« vollbringen und dann eine Nacht lang schlafen.
Ich danke Ihnen herzlich für dieses Interview.
Es war mir ein Vergnügen.
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© Text: Nicole Rensmann / phantastisch!
© Foto: Cliff Grassmick / Dan Simmons
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