Rezension: »Geschmack« von Bob Holmes / Riemann Verlag

© Cover: »Geschmack« von Bob Holmes / Riemann Verlag

© Cover: »Geschmack« von Bob Holmes / Riemann Verlag

Als Evolotionsbiologe, Hobbykoch und Journalist ist Bob Holmes auf den »Geschmack« gekommen. In zwanzig Jahren hat er mehr als 800 Artikel in verschiedenen wissenschaftlichen Magazinen publiziert. Außerdem lehrt er wissenschaftliches Schreiben. 
In seiner Heimat Alberta (Kanada) arbeitet er zudem für ein Geschmacksbildungsprogramm und ist Mitglied bei Slow Food Canada.
Er ist verheiratet und hat einen Sohn.

Zum Buch

»Geschmack – Gebrauchsanleitung für einen vernachlässigten Sinn« erschien im Dezember 2016 bei Riemann (Randomhouse), noch bevor es in der amerikanischen Originalausgabe im April  2017 publiziert wird.

Bob Holmes präsentiert kein Kochbuch, sondern ein Sachbuch, das sich mit unseren Sinnen beschäftigt.

Als ich das Buch das erste Mal aufklappte, wurden mehrere Sinne angeregt:
Der Leineneinband knirscht leise, ein feines bibliophiles Geräusch, das nur dann entsteht, wenn ein dickeres Buch – 220 Seiten – mit entsprechendem Einband – Hardcover mit Halbleinen – aufgeklappt wird.
Meine Nase nimmt den Geruch von Papier und Druck wahr – in diesem Fall, ein leicht muffiger, teils bitterer, fast schon unangenehmer Geruch.
Dann sehe ich zwei (!) Lesebändchen: grau und bordeaux.

Inhalt 

Der Inhalt ist in neun Kapitel unterteilt und schließt mit Danksagungen, Anmerkungen, Autoren-Vita und einem Sachregister ab.
Die Kapitel lauten z.B. „Brokkoli und Tonic“ oder „Die Killertomate“ – das klingt witzig, humorvoll sind die Texte jedoch nicht.
Bob Holmes hat viele Menschen getroffen, um dieses Buch zu schreiben und wenn er von diesen Wissenschaftlern, Ernährungsphilosophen oder Biologen spricht, dann nennt er nicht nur den Namen, sondern beschreibt zunächst das Aussehen seines Gegenübers oder das Haus bzw. das Institut, das er für seine Zwecke besucht hat.

Bob Holmes erzählt von Rezeptoren, Genen, Molekülen und der Quantentheorie. Es fallen wissenschaftliche Bezeichnungen wie T2R38-Gene oder PROP. Manche Theorien werden anhand von durchgeführten Tests untermauert, denen sich die Probanden – demnach häufig Studenten, manchmal Tiere – unterzogen.

Mein Eindruck

Die ersten Seiten finde ich sehr interessant, ich lese von Nichtschmeckern, Normal- und Superschmeckern und wie stark der Geschmack in den Genen verankert ist. Wie kann ich meinen Geschmack fördern, wie verändern? Das will ich wissen, doch meine Vorstellung dieses Buches wird enttäuscht.
Die Theorie wird von Seite zu Seite trockener und schmeckt am Ende nur noch zäh. Schon nach 62 Seiten fühle ich mich dumm. Ich verstehe nur die Hälfte von all dem, was Bob Holmes sagt. Ich lese meinem Mann eine Seite vor und bin beruhigt, als seine Muskeln erschlaffen, weil sich sein Gehirn komplett auf jedes Wort konzentrieren muss, um das Vorgelesene zu begreifen.
Sind wir also gemeinsam dumm und trinken ein Glas Wein – mit allen Sinnen, mit Nase und Gaumen.
Aber ernsthaft:

Bob Holmes ist sicherlich ein großartiger Biologe und Autor seines Fachs, aber um einen anderen Menschen für sein Fachgebiet zu begeistern, fehlt es in diesem Buch an der Hingabe für kulinarische Köstlichkeiten. Okay, auch ein Dessert besteht aus Molekülen, diese jedoch namentlich zu benennen ist nicht mein Wunsch.
Die Beschreibung eines Wissenschaftlers mit Bart und Brille regt nicht meine Sinne an, die Erläuterung von Geschmack und Geruch eines Diners jedoch schon. Ich muss nicht die einzelnen Rezeptoren benennen können, sehr wohl jedoch das richtige Adjektiv finden, um Geruch und Geschmack von Wein, Fleisch oder Kuchen beschreiben zu können. Sicher, zwischendurch wird auch in diesem Buch gegessen, aber mit wenig Liebe. Zumal die Theorien vorab so oft wiederholt wurden, dass die Pommes auf dem Teller oder die Tomate vom Bauern gar nicht mehr schmeckt. Der wissenschaftliche Ton lässt mir keinen Raum für meine eigenen geschmacklichen Erfahrungen.

Ähnliche Bücher

Während ich das Buch von Bob Holmes las, entdeckte ich auf dem Cover des alverde dm Magazins, Januar-Ausgabe 2017, das Special Thema: »Geschmacksinn – Dem Schmecken auf der Spur«. Das Heft nahm ich mit. Das Special ist vier Seiten lang, davon eine Seite Text, der auf dem Buch »Genuss: Über Epikur, Erdmandeln und Experimente beim Essen«  von Eva Derndorfer (2011) basiert.
In diesen wenigen Zeilen steht alles, was der Otto-Normal-Schmecker wissen möchte. Darüberhinaus braucht es auch Erfahrung und die lässt sich in diesem Fall nicht durch lesen, sondern nur durch probieren fördern: Riechen, schmecken, riechen, schmecken.

Fazit

»Geschmack – Gebrauchsanleitung für einen vernachlässigten Sinn« von Bob Holmes ist eine Gebrauchsanleitung für Wissenschaftler, Gelehrte und für Biologen – weniger für praxisorientierte Menschen, die erfahren möchten, wie sie ihren Geschmacksinn fördern können, auch dann, wenn sie nicht zu den Superschmeckern, sondern zu den Normal- oder Nichtschmeckern gehören.
Am Ende wird eins klar: Geschmäcker sind unterschiedlich.

 

 

Bob Holmes
Geschmack
Originaltitel: FLAVOR: The Science of Our Most Neglected Sense (W.W. Norten, USA, April 2017)
Übersetzung: Helmut Dierlamm und Ursula Held
Riemann Verlag, Dezember 2016
Hardcover, Halbleinen, 220 Seiten
ISBN 978-3-570-50190-0
€ 24,99
Auch als E-Book für 19,99 € erhältlich.

 

 

Webtipps

 

© Cover: »Geschmack« von Bob Holmes / Riemann Verlag

Vielen Dank an den Riemann Verlag für die Zusendung des kostenlosen Rezensionsexemplars.

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