(Schreib)-kolumne: Die Guten ins Köpfchen. Die Schlechten ins Kröpfchen.

VorbildBeispiel

Udo arbeitet im 3. Lehrjahr. Eines Tages möchte er seine eigene KFZ-Werkstatt eröffnen. Der Chef beauftragt Udo den Lehrling aus dem 1. Lehrjahr zu beobachten. Alles was dieser falsch macht, soll er korrigieren.  Karl arbeitet erst seit drei Wochen in der Werkstatt und weiß nicht einmal, wie er den Schraubenschlüssel richtig halten soll. Udo befürchtet, so wird er nie sein eigener Chef. Er fühlt sich unterfordert, ihm fehlt ein Vorbild. Udo kündigt kurz vor der Abschlussprüfung und fängt bei einer anderen Firma neu an. Der Chef nimmt ihn hart ran, doch nach einem halben Jahr hat Udo mehr als in den drei Jahren zuvor gelernt. Nach fünf Jahren übernimmt er die Werkstatt seines Meisters und nach zwei weiteren Jahren hat er zehn Angestellte und zwei Lehrlinge.

Jeder braucht sein Vorbild – Gute Vorbilder bieten Chancen

In der Schule gehörten die guten Lehrer zu unseren Vorbildern, sie waren motiviert, hatten interessante Lehrmethoden, akzeptierten uns als Schüler und respektierten uns als Mensch. Davon gab es nur wenige. Denn Vorbilder waren Raritäten. In unserer heutigen Zeit sind sie beinahe ausgestorben. Nicht, weil es sie nicht gäbe, sondern weil sie ignoriert, sogar abgelehnt und nicht selten mit Shitstorms überschüttet werden.

An guten Beispielen lernen

Bezogen auf das Schreiben, lehren manche Ratgeber und einige Lehrer mit schlechten (Schreib-)beispielen und erwarten vom Schüler eine Verbesserung des vorgelegten Textbeispiels.
Aus meiner Sicht bietet das Lernen mit schlechten Beispielen lediglich die Reduzierung auf das Negative. Bei manchen Schülern mag diese Form des Lernens funktionieren, denn in jedem Fall weiß der Schüler: er kann es besser. Doch diese Art des Lernens regt den Ehrgeiz nicht an, fördert aber die Arroganz.

Sich über die Fehler anderer lustig machen

Artikel über die schlechtesten Sexszenen, die schlechtesten ersten Buchsätze und die schlechtesten Schieß-mich-Tod-Abschnitte empfinde ich als fragwürdig. Jeder, der sich darüber lustig macht, glaubt in jedem Fall, schon immer besser gewesen zu sein. Ich will nicht behaupten, dass ich noch nie darüber gelacht hätte oder einen blöden Kommentar dazu geschrieben habe, aber genau das war es – war ich – dann auch: Blöd. Hinterher habe ich mich schlecht gefühlt, denn beim Vorführen schlechter Sätze und Texte rückt die Eigenkritik in den Hintergrund. Die eigenen Fehler werden nur verdrängt, indem sich über die Fehler der Anderen lustig gemacht wird. Auf diese Art verbessert sich der eigene Text nicht wesentlich.

Webseitenlogo www.nicole-rensmann.deDie Autorin als Leserin

Ich lese gerne, vor allem auch, während ich an einem Roman arbeite – und eigentlich schreibe ich stets. Doch in letzter Zeit fällt es mir schwer, den sprachlich anspruchsvollen und spannend-interessanten Text zu finden. Auch manche Schreibratgeber wissen mich sprachlich nicht zu überzeugen.

Doch: Gute Bücher motivieren mich, wecken meinen Ehrgeiz, der Autor wird zu meinem Vorbild.

Bücher zu lesen ist für mich ein Wechsel zwischen Vergnügen und Arbeit.  Jedes Buch, das ich lese –  ob Roman, Ratgeber oder Kochbuch -, seziere ich. Nicht wörtlich, doch Wort für Wort. Ich suche nach Ausdruck, Schwung und Spannung im Satz, nach dem Besonderen. Stolpere ich schon auf den ersten Seiten über unpräzise Formulierungen, falsche Ausdrücke oder seltsame Dialoge, verliere ich die Lust weiter zu lesen. Das Zusammenspiel von Spannung und großartigem Schreibstil, toller Story und wunderbaren Charakteren findet sich selten. Nein-Nein: Auch meine Bücher gehören nicht zu diesen genialen, kombinationsstarken Werken – ich übe noch, das wird nie enden. Aber genau deshalb brauche ich Geschichten, die mich umhauen.

Ich kann nicht an schlechten Beispielen lernen. Ich will geniale, perfekte, großartige Texte lesen und von jemandem lernen, der besser ist als ich, der es kann, der wunderbare Bücher schreibt. Das ist mein Mentor – mein Vorbild.

Drei Dinge auf meinem Weg

Du wirst besser in deinem Job, wenn du drei Dinge beherzigst:

  1. Lerne von der Erfahrung Anderer und schöpfe aus dem Wissen Erfahrener.
  2. Beginne! Mache! Täglich!
  3. Glaube an dich!

Mach es wie die Gebrüder Grimm: Erzähl es weiter.