Wenn das soziale Netzwerk das reale Leben verdrängt …

Immer mehr Leute verschwinden auf Twitter oder Facebook, nicht weil sie vom virtuellen Leben verschluckt werden, sondern weil sie ins RL – ins Real Life – zurückkehren und zwar ohne Wenn und Aber.

Auf Zeit.de gibt es dazu einen sehr interessanten Artikel, auf den mich ein „Web-Aussteiger“ aufmerksam gemacht hat. Ich fühlte mich sofort angesprochen, denn einige der dort stehenden Sätze, kreisen seit einiger Zeit in meinem Gehirn herum.

Vor vielen Jahren habe ich mich aus den Foren zurückgezogen, lange nichts gepostet, heute schreibe ich durchschnittlich einmal in einem viertel Jahr eine Antwort oder poste neue Informationen. Das ist wie als Ex-Raucher alle paar Jahre mal an einer Zigarette ziehen, es macht mich nicht mehr süchtig.

Ich bin bei Facebook und Xing, nutze die Accounts jedoch nur für Termine oder News.

Vor wenigen Jahren war ich auch bei stayfriends angemeldet: Meinen Account habe ich längst gelöscht. Es hat nicht weh getan. Im Gegenteil, eine Plattform weniger, die ich aktualisieren musste. Außerdem möchte ich nicht überall sein … und doch möchte ich überall präsent sein – berufsbedingt. Ein virtueller Teufelskreis.

Denn so oder so: Ohne Web geht es nicht. Bis auf Lebensmittel kaufe ich alles übers Internet. Ich hole mir daraus Informationen, ich knüpfe Kontakte, ich teile Informationen über meinen Beruf mit – und über mich. Ganz automatisch.

Twitter hat mich lange begeistert, viele nette Menschen, Unterstützung, neue Ideen, Aufträge, Informationen erhalten und weitergegeben. Zahlreiche Aktionen sind mithilfe von Twitter erst groß geworden. Ich habe durch  Twitter Unterstützer, neue Interviewpartner erhalten und tolle Events miterleben können. Twitter sah ich stets als  Kreislauf, von dem alle ihren nutzen hatten – richtig genutzt.

Doch ich spüre eine Internetmüdigkeit, nicht nur bei mir, sondern allgemein bei Twitter. Ob das mit der Jahreszeit zusammenhängt, müsste sich dann nächstes Jahr im Frühjahr beweisen.

Ich möchte nicht der Letzte sein, der bei Twitter das Licht auslöscht.

Überhaupt frage ich mich: Wird das Social Web stärker werden oder doch abnehmen? Werden wir irgendwann nur noch virtuell kommunizieren, aber können wir das überhaupt – beschränkt auf 140 Zeichen?

Noch bin ich nicht bereit, Twitter zu verlassen, vielleicht auch, weil ich Angst habe, virtuelle Selbstgespräche führen zu müssen oder etwas zu verpassen? Vor allem aber, weil ich dann ein paar sehr lieb gewonnene Menschen möglicherweise nie wieder lesen würde.

Eine Mail sagt mehr als 140 Zeichen – macht aber auch mehr Mühe.

Da ich das Netz beruflich nutze, wäre – wie manche es machen – ein Ausstieg nicht sinnvoll, doch was die Sozialen Netzwerke – in diesem Fall Twitter – betrifft, fürchte ich, muss ich meinen Konsum runterschrauben. Nicht, weil es Zeit in Anspruch nimmt – die investiere ich gerne -, sondern weil die Gedanken darüber zeit intensiv geworden sind. Zeit, die ich nicht investieren möchte.

Dann muss sich zeigen, wer noch zu einem steht, und ob über das Social Web hinaus die Freundschaften ins Real Life katapultiert werden können. Ich fänds schön.

Als ich die Foren verließ, habe ich gesagt, dass ich per E-Mail immer erreichbar bin und die Kontakte bestehen bleiben können. Kaum jemand hat das in Anspruch genommen.

Wer den Stammtisch verlässt, ist weg. Aus dem Sichtfeld des Bildschirms – aus den Gedanken.

Ich bin allerdings immer hier. Hier an dieser Stelle, in meinem Blog, auf meiner Website und somit zu finden, wer mich zu finden wünscht.

Und nein, ich melde mich nicht von Twitter, Facebook & Co. ab, ich werde nur etwas weniger da sein. Doch, wenn ihr mich braucht, dann wisst ihr ja, wie ich erreichbar bin. DM oder Mail genügen! :-)

Mach es wie die Gebrüder Grimm: Erzähl es weiter.