Gelesen: »Der Junge muss an die frische Luft« von Hape Kerkeling

© Cover: "Der Junge muss an die frische Luft" von Hape Kerkeling / Piper Verlag

© Cover: „Der Junge muss an die frische Luft“ von Hape Kerkeling / Piper Verlag

Erster Satz: »Niemand, behaupte ich, kann so überzeugend harmlos und ungefährlich dreinschauen wie ich.«

Ach, der Hape. Als er Kinderschuhe trug, hieß er Hannilein und hatte dabei doch die gleiche Schuhgröße wie heute. Er machte Quatsch im Fernsehen und das zur Erheiterung vieler. Sein Weg ging nicht immer geradeaus, es holperte an manchen Stellen und das nicht nur, als er den Jakosbweg (»Ich bin dann mal weg«, 2006) beschritt, auch wenn das sich für den Außenstehenden vielleicht anders darstellte.

Hape Kerkeling hat sich Zeit gelassen mit seinem neuen Buch. Er ist auch kein Autor im Sinne eines phantasiereichen Schriftstellers. Er schreibt Bücher über sich, sein Leben, seine Weisheiten. Phantasie verwendet er nicht, zumindest nicht bewusst. Darum quält ihn nicht das Muss jedes Jahr einen Roman rauszuwerfen. Das macht seine Bücher aber auch besonders – nicht zuletzt weil dieser Mann etwas Besonderes an sich hat.
Hans-Peter Kerkeling – der Hape, zeitweise Queen Mom oder Horst Schlämmer, wurde 1964 in Recklinghausen geboren. Bis er ungefähr acht Jahre alt ist, dürfte seine Kindheit als unbeschwert zu bezeichnen sein. Vor allem drei Frauen sind es – so erzählt er in seinem Buch -, die ihn geprägt haben. Drei gute Feen, wie in Dornröschen. Und von Dornen und Rosen, von Prinzessinnen und Prinzen erzählt er dann auch in »Der Junge muss an die frische Luft« – wie das so ist, im wahren Leben.

Hape beginnt mit seinen Erst-Memoiren dort, wo alles Leben anfängt – bei der Geburt. Nun dürften die ersten Jahre seines Lebens weniger aus seiner Erinnerung, als vielmehr durch die Erzählung Dritter gefüllt worden sein. Überhaupt habe ich mich oft gefragt: Woher weiß er das noch? Ich habe versucht mich selbst zurück zu erinnern. Sicher, ein, zwei Sachen … aber doch sehr wenige, und mein exaktes Alter zu diesen Erinnerungsfetzen kann ich gar nicht benennen. Vielleicht hat Hape ein besseres Gedächtnis, oder aber intensiver – mithilfe von Familie und Fotos – in seinem eigenen Leben gewühlt, um Daten und Fakten zu beschreiben und diese zusätzlich mit Details und Farbe ausgeschmückt. Besonders während er von den Depressionen und dem Tod seiner Mutter spricht, scheint es, als wenn er damals deutlich älter wäre, als er tatsächlich war. Hier wird der große Hape dem kleinen ein bisschen zur Seite gestanden haben, aber das ist völlig okay. Denn es ist kein Roman, der perfekt ausgearbeitet und stimmig sein muss. »Der Junge muss an die frische Luft« ist die Geschichte eines Mannes, der sein Leben einem guten Freund erzählt. So wirkt es manchmal. Hape Kerkeling macht Millionen von Lesern zu seinen Vertrauten, nicht die engsten, aber doch lässt er sie –  uns alle – nah an sich heran.

»Der Junge muss an die frische Luft« ist eine Mischung aus Tagebuch und Unterhaltungs-Chronik. Hape erzählt über sich und sein Leben. Dabei erfährt der Leser, dass Gustav Heinemann und dessen Neujahrsansprache Hape Kerkeling inspiriert haben, ins Fernsehen zu gehen. Spätere kurze oder längere Promi-Begegnungen hält er kurzweilig und respektvoll fest. Hier wird keiner in die Pfanne gehauen oder bloß gestellt.

Dabei erzählt er nicht nur seine Geschichte, sondern auch wie das Leben damals so war – ohne Smartphone und TV-Sender, mehr als ein Mensch in seinem Leben je sehen kann. Von Ahoi-Brause und Schlägereien auf dem Schulhof, von Freundschaften und starken Mädchen berichtet Hape, von Schicksal und Glück.

Hape Kerkelings „Erstabschnitts“-Memoiren wirken, als wolle er seine Kindheit nicht vergessen und gleichzeitig das Schwere verarbeiten. Er zeigt aber noch mehr, von Wegen und Zielen, von Wünschen und Bangen, von Wissen und Gefühlen. Er wird auch mal lauter und schimpft auf die Gesellschaft – er darf das. Und das alles ohne Verkleidung oder auf der Bühne eine Show abzugeben. Nein. Sein Leben ist kein Quiz mehr, scheint es aber auch nie gewesen zu sein. Hape Kerkeling wusste, was er wollte und hat es geschafft.

In »Der Junge muss an die frische Luft« scheint Hape Kerkeling ein bisschen Abschied zu nehmen, von allem davon, was bis jetzt in seinem Leben geschehen ist. Und ein Abschied ist immer auch ein Neuanfang. Vielleicht zieht er sich gänzlich zurück, vielleicht hat er auch noch einmal eine zündende Idee, mit der er plötzlich wieder auf der Bühne steht. Wenn er will, bestimmt. Ich bin gespannt.

Ich könnte noch sehr viel über das Buch schreiben, meine Gedanken, meine Gefühle, Erinnerungen, Zwischenzeilen. Doch wozu? Nur selbst lesen macht klug.

Danke, Herr Kerkeling, dass Sie zum Kaffee da waren und mir ihre Geschichte erzählt haben.
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Fazit: Natürlich für alle, die Hape Kerkeling mögen und schätzen. Und für all diejenigen, die manchmal an sich zweifeln, die ein bisschen mit sich hadern oder einfach nur Ruhe suchen. Sehr lesenswert!
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Hape Kerkeling
»Der Junge muss an die frische Luft«
Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen
Piper Verlag 06.10.2014
311 Seiten
ISBN 9783492057004
19,99 €

Auch als Kindle-Edition, als Audio-CD, als Hörbuch-Download.

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Webtipps:

Vielen Dank an den Piper Verlag!

© Cover: Piper Verlag

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