Es war einmal ein Wecker. Seine Geburt ist nicht exakt bestimmbar, aber laut Erzählungen und Recherchen muss er ungefähr dem Jahre 1987 entsprungen sein.
1987 ist ein Jahr wie viele andere auch, nur für diesen Wecker nicht, denn für ihn beginnt ein langes und anstrengendes Leben. Geboren wurde er in einer deutschen Betriebsstätte, irgendwo in Schramberg. Dort werden seine Nachfolger noch heute produziert und laut Hersteller auch Made in Germany. Ob diese Aussage auf alle Teile zutrifft, wird nicht verraten.
Unser Wecker, der von damals, der Opa-Wecker, der nicht Opas weckt, sondern – umgerechnet auf Menschenjahre – einem elektronischen Opa gleicht, wurde damals in Deutschland hergestellt, davon ist auszugehen.
Er kostete ungefähr 130 Deutsche Mark. Das sind heute – vom Wert betrachtet etwa 130,-€, rechnerisch grobe 65,-€.
Seine Abstimmung ist edel, so steht es geschrieben.
Opa Junghans Mega Alarm II lautet sein kompletter Name. Einer der ersten Funkwecker, der noch vor der ersten weltweit eingeführten Funkarmbanduhr (1990) erhältlich war.
Zu gnadenlosen Uhrzeiten weckte er stets zuverlässig seine Besitzer, um 5 oder um 9, auch um 4 oder um 6 piepte er im regelmäßigen Takt, bis er endgültig ausgestellt wurde. Viele sah er vorbeiziehen, neue Wecker, poppige Wecker, billige Wecker. Nur er blieb. 25 Jahre lang.
Fit und agil arbeitete er wie ein junger Hans, bis er eines Tages von einem technisch interessierten Jungen auseinandergenommen wurde. Weit kam er nicht – der Junge. Nur die Klappe des Batteriefachs litt danach und musste mit Tesa verbunden werden. Ein kleiner Makel. Der Opa-Wecker arbeitete weiter. Er liebte seinen Job.
Dann schien alles mit einem Dreh vorbei. Er hätte sich bemerkbar machen können, doch seine Weckfunktion war ausgestellt, und so wurde er in Bettlaken gewickelt und mit Kopfkissenbezügen erstickt und in die Waschmaschine gesteckt.
Das Ende des Weckers nahte. Och nö. 25 Jahre alt. Das gute Stück. Jeden Tag hat er gearbeitet, ohne Murren. Kontakt mit der Uhrmutter gesucht und die Uhrzeit selbsttätig – nach Rückfrage in der Physikalisch-technischen Bundesanstalt in Karlsruhe – neu eingestellt, wenn die Batterie ausgewechselt worden war oder die Sommerzeit in Winterzeit oder die Winterzeit in Sommerzeit wechselte. Doch nun sollte es vorbei sein. Ein Irrtum, ein Versehen. Ertrunken in Seifenwasser, 60 Grad heiß. Jegliche Schmutzpartikel der letzten 25 Jahre lösten sich von seinen Tasten. Seine Platinen wurden durchgespült. Das kitzelte und knisterte überall.
Der erste Schleudergang – der Untergang nahte – der Tesaverband löste sich auf, das Batteriefach sprang ab, die Batterie flog umher. Beim zweiten Schleudergang verlor der Opa-Wecker sein Kunststoff-Schutzschild und damit seine Kontrolle.
Dann öffnete sich die Tür. Und die Rettung vor dem dritten Schleudergang nahte. Doch der Opa-Wecker sagte nichts mehr. Kein Blinken, kein Klingeln.
Der Opa-Wecker schlief.
Nun wurde er in ein Handtuch gewickelt und zärtlich gewiegt, später durfte er an der Luft trocknen. Das kribbelte in den Platinen und an den Schaltkreisen.
Und die Besitzer gaben die Hoffnung nicht auf, zur Reanimierung setzten sie eine neue Batterie ein.
Der Opa-Wecker zitterte. Er blinkte. Er suchte. Nahm Kontakt auf. Er lebte! Die Uhrzeit war wieder da. Und er weckt genauso gut wie früher. Nur ist er jetzt sauber, und mit Lenor gewaschen duftet der Opa-Wecker auch richtig gut.
Und wenn er nicht stirbt – wovon nach den jüngsten Ereignissen nicht auszugehen ist – dann weckt er auch noch in weiteren 25 Jahren.
Mit heutigen Weckern ist der Opa-Wecker nicht vergleichbar. Denn nur wo Made in Germany drauf steht, sollte auch Qualität aus Deutschland drin sein. Heute ist das nur in seltenen Produkten der Fall. Leider.
Darum: Bitte nicht ausprobieren, spätere Regressansprüche werden abgelehnt.