Schreibkolumne: Von guten und von schlechten Wörtern.

Webseitenlogo_NR-5500825ev1_site_icon-128x128Mein letzter Beitrag aus meiner Schreibkolumne ist ein Jahr her.
Zeit für eine neue (Schreib-)Kolumne.

Gute Wörter sind solche Wörter, die über Aussagekraft verfügen.
Schlechte Wörter sind all diejenigen, die gestrichen werden könnten oder keine präzise Aussage bieten. Leider gibt es zu viele schlechte Wörter in unserer Umgangssprache, die sich wie ein Virus in Erzähltexte, Ratgeber und spannende Geschichten schleichen und dort hartnäckig stecken bleiben.

Warum (mir) Präzision im Text wichtig ist

Ich lese, seit ich des Lesens mächtig bin. Ich schreibe, seit ich fähig bin Buchstaben zu malen. Doch erst im Laufe der letzten zwanzig Jahre habe ich begonnen, Wörter in die – zum jeweiligen aktuellen Wissensstand – optimale Zusammenstellung aneinander zu reihen. Das gelingt mir nicht immer. Ich weiß, ich bin nicht perfekt, werde nie perfekt sein. Denn das Streben nach dem perfekten Schreib-Dasein ist ein nie endendes. Mein Anspruch steigt an mich selbst, meine Texte und an alles, was ich lesen möchte. Mir geht es nicht allein um eine spannende Geschichte, auch die Wortwahl, der Ausdruck, der Stil muss mich überzeugen. Nur dann lese ich weiter. Ein genialer, nahezu perfekter und großartiger Text  bietet mir den Lesespaß, den ich mir wünsche und dient mir als Schreibstudium. Denn ich habe noch mehr zu lernen. Jeden Tag.

Von der Präzision der Wörter

In Romanen, Kurzgeschichten, in Kochbüchern oder in Schreibratgebern – leider auch darin -, stoße ich beim Lesen auf unpräzise Wörter. Jeder Autor kennt das Problem von Füllwörtern und der leidlichen Umgangssprache, die sich gerne in Texte schummeln. Jeder weiß von den Wörtern, die er oder sie ständig verwendet und die nach der Überarbeitung eines Romans oder einer Kurzgeschichte dezimiert werden sollten. Wie ärgerlich, wenn diese Wörter bei der Korrektur übersehen werden und auch der Lektor darauf nicht achtet. In kleinen Prisen verstreut im Text, wird der Leser diese Unzulässigkeit verzeihen. Geballt auf einen Absatz hemmt es die Geschichte und könnte den aufmerksamen Leser langweilen.

Im deutschen Sprachgebrauch finden einige umgangssprachliche Wörter Verwendung, die ich beim Schreiben zu vermeiden versuche. Leider stören mich diese Wörter auch in Texten, Büchern und Ratgebern, die nicht von mir stammen. Stolpere ich zu häufig darüber, lege ich das Buch weg.

Diese Wörter tut man ganz einfach raus.

Präzise schreiben verbessert den Text und fördert den Ausdruck

Meine eigene Füllwörter- und Streichliste besteht aus mehr als 320 Wörtern. Um diese Liste für die Korrektur eines Romans nicht manuell abarbeiten zu müssen, hat mir mein Mann eine App geschrieben. Nach dem Suchlauf leuchtet mein Text rot. Nun heißt es manuell prüfen, ob das Wort sinnvoll eingesetzt wurde oder ober ich es löschen bzw. durch ein präzises oder stimmigeres Wort austauschen kann. Am Ende bleiben noch viele rote Kästchen, denn nicht jedes Füllwort lässt sich streichen oder ersetzen. Manchmal dient das jeweilige Wort als Stilmittel.

Ausnahmen bildet auch die wörtliche Rede, in der sprachlich mehr erlaubt ist als im Erzähltext. In der wörtlichen Rede dürfen Umgangssprache oder Dialekt verwendet und Buchstaben verschluckt werden.

Zu 99,9 % streiche ich nachfolgende Wörter (und viele weitere) aus meinen Texten. Leider fliegen auch die Bücher, die nachfolgende Wörter wiederholt verwenden, von meinem SUB.

Tut

Tut klingt schrecklich, dieses kleine Wörtchen beweist Faulheit und wirkt ungebildet. Tut tut weh.

Beispiel:
Was tut er? – Eine kurze Frage, ohne Aussagekraft.
Besser: Was liest er? Was backt er? Was kocht er? Was zeichnet er?
Tut durch ein präzises Verb auszutauschen hebt den Stil des Textes.

Viele Jahre sind vergangen, als ein Lektor mir mehrfach das Wort „tut“ in meinen Roman hineinschreiben wollte. Wir entschieden uns nach langen Diskussionen zu einer Trennung. Tut kommt mir nicht in meinen Erzähltext.

Ganz

Ganz ist meist nichts Halbes und nichts Ganzes. Das kleine Wörtchen „ganz“ gehört zu unserer Umgangssprache und wird beim Sprechen gern verwendet. Es ist ein Füllwort, das aus Texten gestrichen werden muss.

Beispiel:
Das Kleid sieht an ihr ganz phantastisch aus.
Kann ein Kleid halb phantastisch aussehen? Nein, dann wäre das Kleid ein Stofffetzen. Streiche ganz aus deinen Texten. Du wirst sehen, ohne ganz liest sich der Text knackiger.

Einfach

Einfach gehört zu Familie von „ganz“ und kann ganz einfach entfernt werden.

Beispiel:
Das Cover ist einfach wunderschön.
Kann das Cover auch zweifach oder dreifach wunderschön sein? Vermutlich nicht.
Das Cover ist wunderschön!
Das ist eine präzise Aussage. Fertig!

Auf diese ganz einfache Betrachtungsweise hat mich – ebenfalls vor vielen Jahren – ein Journalist gebracht. Ich bin ihm seitdem sehr dankbar dafür, auch wenn ich das richtige Anwenden bzw. Streichen dieser und ähnlicher Wörter erst im Laufe der Jahre erlernt habe und immer wieder muss.

Manches

Was ist manches? Ein Gefühl? Ein Möbelstück?
Sicher erinnerst du dich an die Sprüche des Mathelehrers, wenn du vergessen hattest, die Einheiten oder Bezeichnungen hinter dem Rechenergebnis zu vermerken. Du warst sauer auf ihn, auf dich. Doch er hatte recht. Es ist ein Unterschied, ob wir fünf Äpfel essen oder fünf Steaks.
Außerdem klingt ein Satz viel präziser, wenn wir nicht manches schreiben, sondern dem Leser erläutern, wovon der Text, der Moment, das Erlebnis handelt. Das gilt übrigens auch für das kleine Wörtchen „es“, dessen Stelle im Text – nicht immer, aber manchmal – mit präzisen Worten ausgefüllt werden darf.

Man

Man ist nichts. Und dennoch ist „man“ eins der am häufigsten verwendeten Wörter in viel zu vielen Büchern. Kürzlich stolperte ich in einem Ratgeber im Vorwort in den ersten wenigen Zeilen über dieses Wort – vier Mal. Das hat mir die Lust genommen das Buch intensiv weiter zu lesen. Ich habe es dennoch versucht – und dieses Buch nach zu vielen ganz, einfach, tut und mans zur Seite gelegt. Es handelte sich um einen Schreibratgeber.

Man ist unpräzise und zeigt die Unsicherheit des Autors. An die Stelle von man gehören personenbestimmende Wörter wie: Sie, er, es, ich, du, wir. Auch Namen sind hervorragend.

Meine Man-Ablehnung hat mir mein Deutschlehrer beigebracht. Er mochte mich nicht. Ich ihn auch nicht. Aber die Erklärung „man ist nichts“ habe ich mir gemerkt. Er hatte recht.

Lässt sich das wirklich umsetzen?

Diese Frage stellte mir mein Mann, er konnte sich das nicht vorstellen. Ich blieb hartnäckig, denn ich weiß: Es geht. Schuld an diesem Wort-Präzision-Dilemma ist »Niemand«. In diesem eindeutig zweideutigen Buch mussten die Wörter exakt sitzen. Ein „Es“ hätte eine Figur sein können, ein „Manches“  – eben genau das. Niemand hat mich pingelig werden lassen und meine Wort-Sinne geschärft. Doch auch ich muss mich manchmal daran erinnern, diesen Sinn anzuwerfen.
Meinem Mann und mir selbst erklärte ich das Ersetzen von „man“ anhand eines Beispiels:

Mutter sagt beim Essen: Mit vollem Mund spricht man nicht.

Wer ist man? Man wird  für eine allgemeine Bezeichnung verwendet, die keinen Widerspruch duldet. Man ist nicht greifbar. Heißt es aber: „Mit vollem Mund sprechen wir nicht“, kann das Kind diese Zurechtweisung mit der Familie verbinden. Häufig folgt darauf eine Frage: „Warum sprechen wir nicht mit vollem Mund?“ Den Mund voller Kartoffelbrei.
Nun muss die Mutter – oder der Vater – dem Kind eine Erklärung geben:
„Wir sprechen nicht mit vollem Mund, weil wir uns dabei verschlucken oder dem gegenüber Essensreste ins Gesicht spucken könnten. Du solltest nicht beim Essen sprechen, weil dein Gespräch dann nach Kartoffeln und Sauce klingt und wir dich nicht richtig verstehen können.“
Das Kind: „Sprechen nur wir nicht mit vollem Mund?“
Mutter: „Wir möchten das vermeiden und alle anderen Menschen sollten auch nicht mit vollem Mund reden.“
Das Kind: „Und wenn sie doch mit vollem Mund sprechen?“
Mutter: „Dann sind sie nicht gut erzogen.“

Und so weiter. Jeder, der Kinder hat, kennt dieses  Frage- und Antwortspiel. Das Ersetzen von man durch eine Personifikation (Name, Bezeichnung, Personalpronomen) bietet viel Lese-und Erzählstoff.

Beim nächsten Essen mit der pingeligen Großtante, die sich erst ein Stück Fleisch in den Mund schiebt und dann von ihrer Urlaubsreise erzählt, wird das Kind sagen: „Tante, du bist aber nicht gut erzogen.“

Wie soll ich mir das merken?

Ich hinterfrage jedes Wort, das ich beim Schreiben von Romanen und Kurzgeschichten – zugegeben, nur selten hier im Blog – verwende. Passt dieses Wort? Ist es präzise? Handelt es sich um ein Füllwort, benötige ich das Wort an dieser Stelle oder kann das weg?

Manches tut man ganz einfach nicht.

Präzision beim Schreiben. Das ist wichtig!

Diese wenigen Wörter stehen stellvertretend für hundert weitere, die mit aussagekräftigen Wörtern ausgetauscht oder  – weil umgangssprachliche Füllwörter – gestrichen werden können.

Versuch`s mal. Du wirst überrascht sein.
Oder anstelle des „es  / `s“:

Versuche diesen Schreibtipp auf deinen Text anzuwenden. Du wirst überrascht sein.

Mach es wie die Gebrüder Grimm: Erzähl es weiter.