Mord ist nicht mein Hobby oder Warum ich keine Krimis schreibe

Keine KrimisVor einiger Zeit wurde ich in einem Interview gefragt, warum ich eigentlich keine Krimis schreibe.
Kurz und knapp antwortete ich: „Das können andere Autoren besser.“

Davon bin ich absolut überzeugt. Ich bin ein Tatort-Fan, schaue gerne Thriller und Actionfilme, doch dieses Genre lesen liegt mir fern. Ich habe es in der Vergangenheit mehrfach versucht, aber Kriminalromane sprechen mich nicht an.
Beim Schreiben sähe das noch ein bisschen anders aus. Für das Schreiben von spannenden Krimis, müsste ich der Materie nicht in Bild, sondern in Wort und Schrift nahe sein. Das bin ich nicht. Aufbau und Technik könnte ich erlernen. Tatsächlich liegt der wahre Grund, warum ich keine Krimis schreibe, an meinem persönlichen Empfinden. Lesen und Schreiben geht mir näher unter die Haut, als die cineastische Verarbeitung eines Kriminalfalls, abgesehen von ein paar wenigen Ausnahmefällen, auf die ich jetzt aber nicht eingehen möchte.

In den Achtzigern lief im Fernsehen die Krimiserie »Mord ist ihr Hobby«, später auch unter dem Namen »Immer wenn Sie Krimis schrieb« bekannt. Darin verkörperte die Schauspielerin Angela Lansbury die Krimi-Schriftstellerin Jessica Fletcher, die ihre Ideen durch reale Erlebnisse erhielt. Per Zufall stolperte sie, ähnlich wie Miss Marple, von einem Mordfall in den nächsten. Ich mochte diese Serie sehr und obwohl ich Bücher liebte und schon damals den innigen Wunsch hegte, Schriftstellerin zu werden, verspürte ich nicht die Lust Krimis zu schreiben. Denn die Realität wollte ich nicht zur Papier bringen.
Natürlich lassen sich Krimi-Autoren – wie andere Schriftsteller auch – von realen Erlebnissen inspirieren, ergänzen diese mit ihrer Phantasie und untermauern die so entstandene Idee mit Rechercheergebnissen.
Doch trotz der intensivsten Recherche ist kein Autor in der Lage die Grausamkeit der Realität zu erfassen. Das muss auch nicht sein, denn ein Krimi soll unterhalten und den Leser eine spannende Lektüre bescheren.

Und obwohl mir die Realität schlimmer als ein Krimi zu sein scheint, liegt mir das Schreiben eines Krimis zu dicht an der Realität.

Jeden Tag berichtet die Presse über die niederen Instinkte der Menschen. Eltern töten ihre Kinder, Männer erschlagen Nichten auf brutalste Art und Weise. Das Motiv: Unbekannt. Das Gesicht einer Frau wird mit Säure verätzt. Das Motiv: Eifersucht und Neid. Männer, nicht selten Väter, verschleppen junge Frauen und halten sie jahrelang in Gefangenschaft, machen sie zu Sklaven, schlagen und misshandeln sie. Das Motiv: Macht. Menschen werden getötet, zerhackt und den Fischen zum Fressen hingeworfen. Das Motiv: Wut, Eifersucht, Hass, Wahnsinn.
Keine Krimis 2Die Verrückten unserer Welt entführen und töten Kinder, missbrauchen Frauen, schlachten Männer ab. Das Motiv: Fehlende Empathie. Und selbst der nette Nachbar, der stets freundlich grüßte, einen festen Job hatte, verheiratet und ein liebevoller Vater war, wird plötzlich zum Täter. Warum? Das ist eine Frage die in der Realität unbeantwortet bleibt. Menschen betrügen und belügen, für Geld und manchmal nur zur Rettung ihrer Ehre. Sie schlagen, töten, verschleppen aus Gier, Macht und Hass.

Wenn ich an einem Roman arbeite – und es ist Arbeit, auch wenn sie noch so viel Spaß macht – dann fühle ich mich entspannt und ausgeglichen. Ich liebe es zu fabulieren, neue Ideen zu verwirklichen und Geschichten zu spinnen von seltsamen Wesen, verrückten Welten und phantastischen Erlebnissen. Es wird gekämpft und auch mal getötet, meine Protagonisten sterben – und ich bin traurig. Die Charaktere leiden – ich leide mit. Doch Schreiben ist Phantasie. Einen Krimi zu verfassen würde mir persönlich ein großes Maß an Abgeklärtheit abverlangen. Ich fürchte, dafür bin ich nicht geschaffen.

Die Realität schreibt die schlimmsten, brutalsten und unverständlichsten Geschichten. Kein Krimi-Autor kann in seiner Geschichte so viel Grauen einsetzen wie die Presse jeden Tag über das wahre Leben berichten muss. Und über all das möchte ich nicht schreiben, nicht in abgeschwächter noch in realistischer Form. Denn die Realität allein ist für mich schon Krimi genug.

Ich überlasse das Krimi schreiben lieber all den wunderbaren Autoren, die ihr kriminalistisches Handwerk auf vielfältige Art und Weise verstehen, ohne unter den Taten ihrer Bösewichte oder unter schlaflosen Nächte zu leiden, weil ihr Protagonist im aktuellen Kapitel gefoltert wird. Sie verstehen es die Leser mit Mord, Verrat und Totschlag perfekt zu unterhalten und haben sogar Spaß dabei – immer wenn Sie Krimis schreiben. ;-)

In diesem Sinne: Auf die Vielfalt des Buches. Und aufs Schreiben sowieso!

© Grafiken: Dirk Rensmann

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