In #90 der Magazins phantastisch! publizierte ich einen Artikel – zu finden auf den Seiten 28 bis 33 – über das Übersetzen und befragte zahlreiche Übersetzerinnen und Übersetzer zu ihrer Arbeit. Im Heft werden alle Befragten auch mit Foto vorgestellt. Aus rechtlichen Gründen ist das hier nicht möglich. Aber du kannst das Heft in Print oder als PDF kaufen und bekommst dann viele weiter tolle Storys und Artikel.
Zu Wort kommen: Uwe Anton, Markus Mäurer, Bernd Perplies, Christina Löw, Diandra Linnemann, Janna Ruth, Frank Böhmert, Lena Richter, Joachim Körber.
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Übersetzer*innen: Unersetzlich, unbeachtet, unfassbar gut
Artikel von Nicole Rensmann
Ich bin 53 Jahre alt. Seit ich des Lesens mächtig bin, verschlinge ich Lesestoff. Bücher machen mich glücklich, denn Geschichten sind für mich wie Ausflüge in eine andere Welt, und die Protagonisten meine Wegbegleiter*innen für 250 bis 1000 Seiten. Vor rund vierzig Jahren begann ich Bücher von US-Autoren zu lesen: Stephen King oder Dean Koontz. Dass diese Romane übersetzt werden mussten, war mir damals, meiner Sucht fröhnend, bewusst, aber was dahinter steckte, ahnte ich nicht. Die Leselust entwickelte sich, dazu kam ein bisschen phantastischer Fanatismus, Bibliophilie und das Schreiben eigener Romane und Artikel. Doch eins gelang mir bisher nicht: Stephen King & Co. im Original zu lesen. Zeitmangel und Respekt vor der englischen Sprache hinderten mich daran.
Bücher lese ich in Deutsch. Nicht zuletzt, weil jedes Buch auch ein Lehrstück und Weiterbildung für mich als Autorin bedeutet. Ich bin auf brillante Übersetzungen angewiesen, aber im Laufe dieser vierzig Jahre habe ich gelernt, dass nicht jede Übersetzung nah am Original ist. Manchmal im positiven, aber auch im negativen Sinne. Dazu kommen Tippfehler, stilistische Patzer oder ungewöhnliche Wortkreationen, die im Original nicht zu entdecken sind. In meinem Sammlerwahn kaufe ich von ausgewählten Autor*innen nicht nur die deutsche, sondern auch die Originalausgabe und vergleiche. Aber warum enthalten manche Übersetzungen zu viele Fehler, und wie funktioniert diese Dreierbeziehung zwischen Verlag, Autor*in und Übersetzer*in? Ich habe diese und weitere Fragen an Menschen weitergegeben, die diesen Job machen.
Die Übersetzer*innen vorgestellt
Sie arbeiten im Hintergrund, sorgen dafür, dass Bestseller in alle Sprachen übersetzt werden und wir Schriftsteller*innen auch in anderen Ländern bekannt sind, unsere Geschichten über die Grenzen des eigenen Landes hinaus erzählt werden. Zu oft werden sie übersehen und vergessen. Und wenn beides nicht zutrifft, fallen Fehler in Text und Stil auf sie zurück. Wer sind sie, diese Übersetzer und Übersetzerinnen, die – wie Autor*innen – still in ihrem Kämmerchen sitzen und aus einem englisch- (oder anders-) sprachigen Roman einen deutschen zaubern? Wer sind diese Menschen, die vorne im Impressum eines Buches stehen und meist überlesen werden? Wir stellen neun Übersetzer*innen vor, die teils hauptberuflich, teils in Kombination mit einem nicht kreativen Brotjob übersetzen.
Uwe Anton, der 1956 in Remscheid geborene Autor, veröffentlicht erfolgreich seit der Schulzeit Romane, Kurzgeschichten und Artikel. Seit 1980 ist er freiberuflicher Autor und verdient seinen Lebensunterhalt, wie er selbst sagt, mit seinem Hobby. Neben seiner vielseitigen Autorentätigkeit, in der er u.a. seit 1995 für PERRY RHODAN arbeitet, übersetzt er namhafte US-Autoren. Viele Jahre arbeitete er für Publikumsverlage und war der Hauptübersetzer von Dean Koontz. Heute, so erzählt er, lässt er die Übersetzungen langsam auslaufen. »Bislang habe ich noch jedes Jahr den neuen Baldacci ins Deutsche übertragen und auch einige Comics übersetzt, aber in meinem reifen Alter finde ich es viel interessanter, selbst zu schreiben. Die Arbeit für PERRY RHODAN lastet mich völlig aus, und da kann ich, wenn auch im Rahmen der Serienvorgaben, viel kreativer sein.«
Der ehemalige Sozialpädagoge und Absolvent der Nord- und Lateinamerikastudien Markus Mäurer hat sein Hobby und die Begeisterung an phantastischer Literatur ebenfalls zum Beruf gemacht. Er arbeitet als freiberuflicher Rezensent, schreibt Artikel und ist hauptberuflich Übersetzer (englisch/deutsch) für zahlreiche Verlage wie Heyne, Knaur, Cross Cult, Festa Verlag oder den Atlantis Verlag. Er übersetzte u.a. Brian Keene, Jeff VanderMeer, Nina Allan oder Carolyn Ives Gilman. Er sagt: »Die Auftragslage ist jetzt nicht so, dass ich groß wählerisch sein könnte. Was ich anfangs übersetzt habe, aber nicht mehr machen würde, ist Extrem-Horror von Autoren wie Edward Lee. Es gibt sicher Stile und Autor*innen, die mir nicht liegen, das wird sich aber immer erst im Einzelfall zeigen. Die schönste Übersetzung war der Science-Fiction-Roman »Dunkle Materie« von Carolyn Ives Gilman. Ehrlich gesagt, würde ich gerne mehr Literatur außerhalb des Genres übersetzen, also Krimis, Thriller, historische Romane und allgemeine Belletristik. Aber es ist schwierig, wieder aus der Genre-Schublade herauszukommen. Bei der aktuellen Auftragslage bin ich aber schon froh, wenn ich überhaupt Aufträge bekomme.«
Bernd Perplies, geboren 1977, ist als freiberuflicher Autor und Übersetzer (englisch/deutsch) tätig. Ab 2004 übersetzte er für den Heel-Verlag, für Pegasus Spiele, 13Mann und Topps Europe, doch seit 2015 übersetzt er ausschließlich für Cross Cult, weil er damit und mit dem Schreiben von Romanen ausreichend ausgelastet ist. Zwei bis drei Titel übersetzt er im Jahr und wählt sich diese selbst aus, darunter »Star Trek«, »Arkham Horror« oder »Assassin’s Creed«.
Christina Löw, geboren 1988, lebt und arbeitet als Freiberuflerin in Köln. Tagsüber ist sie als Literatur-Übersetzerin (englisch/deutsch) und Lektorin sowie Journalistin und Kunsthistorikerin/Kunstvermittlerin tätig. Die Abendstunden hält sie sich seit 2017 für ihre eigenen Geschichten frei. Bisher übersetzte sie ausschließlich Selfpublisher*innen aus dem Englischsprachigen Raum (USA / Großbritannien). Seit 2021 ist sie im erweiterten Vorstand bei PAN e.V. (Phantastik-Autoren-Netzwerk e.V.).
Diandra Linnemann, geboren 1982, lebt in Bonn. Sie arbeitet seit 2019 als angestellte Übersetzerin im Fachbereich Medizin und übersetzt nebenberuflich für befreundete Selfpublisher*innen oder liest deren übersetzte Texte Korrektur. Sie spricht Japanisch, Arabisch, Französisch und Niederländisch, übersetzt aber in der Regel nur aus dem Englischen.
Janna Ruth, geboren 1986 in Berlin, lebt seit zehn Jahren in Neuseeland. Sie ist freiberufliche Autorin (Verlagsautorin und Selfpublisherin), Lektorin und seit 2019 Übersetzerin (englisch/deutsch). Sie achtet darauf, nur Bücher aus Genres anzunehmen, mit denen sie sich selbst wohlfühlt. Hier bevorzugt sie Fantasy.
Frank Böhmert, Jahrgang 1962, arbeitet seit mehr als dreißig Jahren hauptberuflich als freiberuflicher Übersetzer (englisch/deutsch). An knapp einhundert Büchern für zwei Dutzend Verlage hat er mitgearbeitet. Sein Schwerpunkt liegt bei Phantastik, Kinder- und Jugendliteratur. Er übersetzte u.a. Bücher von Martha Wells, Brian W. Aldiss, James Tiptree jr. oder Philip K. Dick. Als Autor wurde er vor allem mit seinen Romanen für die PERRY RHODAN-Serie bekannt. Seine Story »Operation Gnadenakt in #phantastisch!# Nr. 57 trug ihm den Deutschen SF-Preis 2016 ein.
Lena Richter ist freiberufliche Autorin, Lektorin und übersetzt seit 2019 mit Schwerpunkt Phantastik (englisch/deutsch) für Feder & Schwert und für den Verlag System Matters (Rollenspiel). Außerdem veröffentlicht sie Kurzgeschichten, Essays und Artikel. Lena ist eine der Herausgeber*innen des Phantastik-Zines Queer*Welten und spricht gemeinsam mit Judith Vogt einmal im Monat im Genderswapped Podcast über Rollenspiel und Medien aus queerfeministischer Perspektive. Im Frühjahr 2023 erscheint ihre Science-Fiction-Novelle »Dies ist mein letztes Lied« im Verlagohneohren. Neben ihren kreativen Tätigkeiten arbeitet sie hauptberuflich in einem Büro.
Joachim Körber, Jahrgang 1958, ist ein Urgestein der phantastischen Szene seit 1979. Er ist Autor, Journalist, Herausgeber, Publizist und arbeitet seit 1980 hauptberuflich als freiberuflicher Übersetzer (englisch/deutsch), u.a. für den Heyne Verlag, für Goldmann, Hoffmann und Campe, Panini, Klett-Cotta, Festa Verlag und den Wandler Verlag. Viele Jahre war er Stammübersetzer von Stephen Kings Romanen. Inzwischen konzentriert er sich auf seinen eigenen Verlag, die Edition Phantasia, für den er auch (natürlich honorarfrei, betont er) übersetzt. In den Anfangsjahren nahm er alle ihm gebotenen Übersetzungsaufträge an, heute kann er wählerischer sein – packt ihn der Text nicht, lehnt er ab.
Die Interviews
Ursprünglich sollten die Antworten der Übersetzer*innen in einem Fließtext eingearbeitet werden, doch alle Antworten waren so unterschiedlich und vielschichtig, dass ich keine Häppchen herauszerren wollte. Darum finden sich nun auf eine Frage jeweils acht Antworten, keine gleicht der anderen. Warum acht bei neun Übersetzer*innen? Uwe Anton fragte ich zu Beginn dieses Artikels allgemein zu seiner Arbeit als Übersetzer, zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, wie viele sich melden und wie umfangreich die Antworten ausfallen würden. Uwe Anton hat das Privileg zu beginnen.
Romane und Kurzgeschichten zu übersetzen ist ein kreativer Beruf. Du musst die Stimme und den Stil der Autor*innen wiedergeben und darfst dich selbst nicht zu stark einbringen. Das ist nicht immer leicht. Gibt es Autor*innen, die du grundsätzlich nicht übersetzen kannst bzw. würdest? Und welche bevorzugst du? Was macht eine gute Übersetzung aus?
»Es hat eine Weile gedauert, bis ich darauf kam, dass eine gute Übersetzung sich lesen sollte, als wäre das Buch auch im Original in deutscher Sprache verfasst. Man klebt anfangs zu eng am Text, konzentriert sich auf Nebensächlichkeiten, auf einzelne Formulierungen. Viel wichtiger ist jedoch der Sprachfluss des Gesamtwerks. Das sollte sich lesen wie aus einem Guss, finde ich.
Eine Übersetzung ist richtig gut, wenn der Leser gar nicht mitbekommt, dass es eine Übersetzung ist« – Uwe Anton.
Markus Mäurer: Vor allem gute Kenntnisse der Sprache, in die übersetzt wird. Aber auch Wissen über die Ausgangssprache und deren Kultur. Gute Übersetzer*innen sollten sich in die Autor*innen hineinversetzen können und antizipieren, wie sie den Roman direkt auf Deutsch geschrieben hätten.
Bernd Perplies: Es reicht nicht, einen Originaltext gut zu verstehen: in meinem Fall also gut Englisch zu können. Wichtig ist genauso, dass man gut auf Deutsch schreiben kann. Dass man weiß, wo man vom Original entfernen kann (und manchmal muss, Stichwort Wortwitze oder Gereimtes) und wo nicht. Am Ende liest der Leser ein deutsches Buch, und das muss sich rund anfühlen.
Christina Löw: Ich finde es schwierig, das pauschal zu beantworten. Mir persönlich ist bei meiner übersetzenden Tätigkeit wichtig, dass ich dem Text gerecht werde, dass meine Übersetzung sowohl inhaltlich wie auch stilistisch so nah am Original dran ist, wie es bei einer Übertragung von einer Sprache in eine andere möglich ist.
Diandra Linnemann: Die richtige Mischung aus Kreativität und Originaltreue. Es braucht viel Fingerspitzengefühl, um herauszufinden, wann man etwas lieber dicht am Text übersetzt und wann man den Lesenden etwas mehr entgegenkommen sollte. Gelegentlich behaupte ich, ich sei zur Übersetzerin geboren, denn ich liebe Sprachen und habe gerne Recht. Die Bereitschaft, ständig dazuzulernen (damit man dann Recht haben kann) ist für Übersetzende auch sehr hilfreich.
Janna Ruth: Ein guter Übersetzer setzt sich mit dem Text auseinander und schafft es, ihn so zu übersetzen, dass er nicht wie übersetzt, sondern in der Zielsprache geschrieben klingt. Wobei es auch vom Kunden abhängt, ob dieser eine wortwörtliche Übersetzung oder sinngemäße Übersetzung möchte, bzw. gibt es da diverse Abstufungen.
Frank Böhmert: Da möchte ich widersprechen. Dass du dich selbst nicht einbringen darfst, ist ein Klischee von Außenstehenden. Du kommst gar nicht darum herum, zu interpretieren, das zeigt schon der kurze Blick ins Wörterbuch, wo für ein Originalwort gelegentlich zehn, zwanzig deutsche Entsprechungen angeboten werden. Und da sind wir noch nicht einmal beim Stil, bei Anspielungen, bei Soziolekten. Du #musst# dich also im Gegenteil einbringen. Das ist auch der Grund, wieso Klassiker immer mal wieder neuübersetzt werden: Weil bei der Interpretation neue Aspekte in den Vordergrund rücken. Ich sage Leuten, die gerade anfangen, gern: Übersetzen ist interpretieren, also interpretiere! Und Verlage buchen mich immer wieder mit der Aussage: Für diesen Text brauchen wir keinen Übersetzer, sondern einen Autor.
Ich mache meine Auswahl der Texte daran fest, was ich gut und was ich nicht so gut kann. Was mich reizt und was mich langweilt. Was ich zügig übersetzen kann und wo ich mir einen abbrechen würde. Konkret: Ich vermeide Texte, die im Adel, auf dem Internat oder im akademischen Umfeld spielen. Ich übersetze ungern Fantasy-Mehrteiler. Ich mag kurze, knackige Romane mit Dialogen, gern aus der Ich-Perspektive, gern mit Figuren >von unten<. Wenn ich von einem Sachgebiet, das für die Geschichte eine große Rolle spielt, keine Ahnung habe, lasse ich von dem Auftrag auch lieber die Finger. Das können dann andere besser.
Sorgfalt, Mut zu individuellen Lösungen, ein weitgefächerter Erfahrungs- und Lektüre-Hintergrund macht einen guten Übersetzer aus. Wichtig finde ich auch das Bild, mich als Sprecher meines Autors oder meiner Autorin zu begreifen: Ich vertrete sie beim Schreiben ihres Textes auf Deutsch, weil sie diese Sprache nicht können oder jedenfalls nicht so gut können wie ich.
Lena Richter: Ich denke, das, was du oben selbst gesagt hast, also Stimme und Stil des Originals erhalten und gleichzeitig viel Sprachgefühl für die Sprache, in die übersetzt wird. Und vermutlich eben auch Selbstdisziplin und Zuverlässigkeit, damit die Zusammenarbeit gut läuft.
Ich melde mich meistens für Übersetzungen von Rollenspielen, die progressiv und queer sind, weil es da eben wichtig ist, darauf zu achten, es so zu übersetzen, dass es auch im Deutschen so bleibt und z. B. nicht im generischen Maskulinum übersetzt wird oder verletzende Begriffe benutzt werden. Das ist für mich in diesem Bereich etwas, das Stimme und Stil der Autor*innen ausmacht. Man bringt sich selbst ein. Ich bin z. B. inzwischen erfahren darin, Texte zu entgendern und weiß, welche Begriffe möglichst verletzungsfrei sind, wenn über marginalisierte Gruppen gesprochen wird, welche man schlicht nicht eindeutschen kann, weil der englische Begriff etwas ganz anderes meint, als eine wörtliche Übersetzung (so etwas wie das englische Race z. B.) – das bringen andere vielleicht nicht mit, weil sie sich nicht damit befasst haben. Nicht gern übersetzen würde ich z. B. Texte, die schon im Original mit Klischees, Vorurteilen und Slurs um sich werfen.
Joachim Körber: Dass er eben nicht stur einfach für jedes englische Wort ein deutsches hinschreibt, was eh nicht funktioniert. Dass er sich in einen Text einfühlt und versucht, dem deutschen Leser so gut es geht einen Eindruck davon zu vermitteln, welches Leseerlebnis der Leser der Originalausgabe hatte. Das ist ein Thema, das immer wieder für Diskussionen sorgt. Ich bin der Meinung: Wenn ein Text im Original sehr elegant formuliert ist, sollte er das auch im Deutschen sein, wenn er im Original hölzern und gestelzt klingt, sollte er das im Deutschen auch. Leider beschönigen in solchen Fällen manche Verlage die deutschen Übersetzungen oder zwingen ihre Übersetzer, das zu tun. Markantestes Beispiel dafür sind für mich die Lovecraft-Übersetzungen des Suhrkamp/Insel Verlags, die im deutschen sehr viel eleganter sind als im Original.
Wie läuft der Arbeitsprozess zwischen Verlag, Autor*in und dir ab? Hast du Kontakt zu den Autor*innen, die du übersetzt?
Markus Mäurer: Am Anfang steht eine Anfrage per E-Mail, die den Originaltext enthält, damit ich mir einen Eindruck von dem Projekt machen kann. Wenn ich zusage, wird noch kurz über die Konditionen (Honorar und Abgabetermin) verhandelt. Wobei es da oft nicht viel zu verhandeln gibt, da gerade große Publikumsverlage feste Honorarsätze und starre Programmplätze haben. Meistens werde ich um eine Leseprobe der ersten 30 Seiten gebeten, um grundsätzliche Begriffe und Tonalität mit dem Lektorat abzustimmen. Oft kommt da dann aber keine Rückmeldung. Wenn ich mit der Übersetzung fertig bin, gebe ich sie ab. Manchmal bekomme ich eine Rückmeldung aus dem Lektorat inklusive Änderungsverfolgung, meistens aber nicht. In den Verträgen steht, dass ich verpflichtet bin, die Druckfahnen noch einmal durchzugehen. Dafür bleiben meist zwei Wochen Zeit, oft kommen sie aber unangekündigt rein (einmal einen Tag vor Weihnachten), so dass es mir die Zeitplanung durcheinanderwirft. Bei nicht wenigen Verlagen erhalte ich auch überhaupt keine Druckfahnen. Rechtlich könnte ich sie wohl verlangen, damit ich sehe, was unter meinem Namen im Buch abgedruckt wird, aber zum einen ist es für mich unbezahlte Zusatzarbeit, zum anderen gilt man dann wohl auch schnell als schwieriger Übersetzer beim Verlag, wenn man darauf besteht und deren Produktionsablauf durcheinanderbringt. Ich ärgere mich aber sehr, wenn im gedruckten Buch dann Fehler auftauchen, die ich bei Durchsicht der Druckfahnen noch hätte entdecken können. Weshalb ich inzwischen gar nicht mehr in die fertigen Bücher reinschaue. Es gibt Verlage, da bekomme ich gar nicht mit, wer das Lektorat macht. Manche scheinen das schon regelrecht geheim zu halten. Bei anderen gibt es wunderbare persönliche Kontakte. Bei meiner ersten Übersetzung für Golkonda saß ich bei Hannes Riffel zu Hause im Arbeitszimmer, wo wir die Übersetzung zusammen durchgegangen sind.
Bernd Perplies: Mit Autor*innen habe ich in der Regel keinen Kontakt. Nur extrem selten stelle ich mal eine Frage, habe mir dann den Kontakt aber immer selbst via Social Media hergestellt. Tie-In-Romane sind ja in den USA ein bisschen >industrielle Ware<. Die Autor*innen haben nur noch wenig damit zu tun, nachdem sie abgegeben haben. Oft wissen die gar nicht, dass sie gerade übersetzt werden.
Der Kontakt mit Cross Cult verläuft zweckoptimiert. Ich bekomme mein PDF oder manchmal mein E-Book, eine Deadline und dann geht’s los. Klar kann ich mit Fragen immer zu denen kommen. Wir sind seit Jahren befreundet, man hat immer ein offenes Ohr füreinander. Aber normalerweise arbeite ich einfach meinen Text ab, reiche ihn danach ein und schreibe meine Rechnung. In seltenen Fällen wird anschließend noch einmal über den Text und die Übersetzung gesprochen, was gut lief, was vielleicht optimiert werden könnte.
Christina Löw: Da ich bisher immer direkt von Autor*innen bzw. von anderen Übersetzenden, die mit mir im Team arbeiten wollten, angefragt wurde, kann ich zum Verlagsteil nichts sagen. Da ich maßgeblich mit Selfpublisher*innen zusammenarbeite, habe ich für gewöhnlich direkten Kontakt mit den jeweiligen Autor*innen, oder in Ausnahmefällen deren Management (im weitesten Sinne).
Diandra Linnemann: Bis jetzt hatte ich noch nicht das Vergnügen, im Übersetzungsprozess mit einem Verlag involviert zu sein. Üblicherweise kooperiere ich mit Selfpublisher*innen, mit denen stehe ich naturgemäß in engem Kontakt.
Janna Ruth: Ich erhalte vom Kunden den Originaltext und manchmal Zusatzinformationen, wie zum Beispiel die Geschlechter diverser Drachen, die man im Englischen nicht immer gleich erkennt. Dann übersetze ich den Text einmal grob im ersten Durchgang und halte zwischendurch Zwiesprache mit dem Kunden über Unklarheiten oder Stellen, bei denen wichtige Entscheidungen getroffen werden müssen. Danach gehe ich den Text noch einmal durch und lektoriere quasi, wobei das ein Übersetzungslektorat nicht ausschließt.
Da ich freiberuflich und mit Selfpublisher*innen arbeite, ja. Als ich für einen Verlag gearbeitet habe, nein.
Frank Böhmert: Das ist sehr unterschiedlich. Am liebsten habe ich es, wenn meine fertige Übersetzung nach dem Lektorat wieder zu mir zurückgeht und ich noch einmal gegenlesen kann, und wenn wir dann mit dem fertig gesetzten Text auch noch mal einen Durchlauf machen – diese Übersetzungen sind unterm Strich einfach die handwerklich besten. Ich versuche, sie nicht zu belästigen. Sie sind ja in der Regel schon mit dem nächsten Text beschäftigt.
Auf der Couch weiterlesen? Kein Problem, lade dir den Artikel als PDF runter.
Lena Richter: Im Rollenspielbereich gibt es fast immer noch eine Redaktion (meist nur eine Person), die die konkrete Übersetzung organisiert, also Übersetzer*innen, Lektor*innen usw. aussucht. Da die Szene sehr klein ist, ist das meistens so ein sehr informelles hast du nicht Lust und Zeit …?-Ding. Im Idealfall wird dann vorher ein Glossar von wichtigen Begriffen erarbeitet, über die man sich dann austauscht, also sowas wie zentrale Bestandteile des Settings oder der Regeln. Dann übersetze ich, ggfs. nochmal im Austausch mit den Übersetzer*innen der anderen Teile, falls es mehrere gibt. Am Ende gibt es dann oft noch das Klären offener Fragen oder Begriffe, bei denen es mehrere Optionen gäbe. Es hängt immer ein bisschen davon ab, wie gut die jeweilige Redaktions-Person da so kommuniziert und sich kümmert.
Joachim Köber: Ich versuche natürlich, mit Autoren in Kontakt zu treten und eventuelle Übersetzungsprobleme mit ihnen zu lösen. Zwischen Verlag und mir passiert meist eher wenig. Ich bekomme einen Auftrag, mache die Übersetzung, liefere sie ab, fertig. Im Idealfall setzt sich das Lektorat dann mit mir in Verbindung und diskutiert Änderungen. Das machen aber viele, besonders die großen Publikumsverlage nicht, die ändern mitunter Sachen einfach ohne Rücksprache. Auf diese Weise haben mir schon Lektoren peinliche Fehler in meine Übersetzungen geschmuggelt, die dann natürlich mir angelastet wurden. Dass einer der verantwortlichen Lektoren da mal Rückgrat gezeigt und gesagt hätte: Oh, das hat nicht der Übersetzer verbockt, sondern ich, das habe ich allerdings nie erlebt.
In manchen Fällen habe ich in Kontakt zu den Autor*innen, in manchen nicht. Manche Autoren, die ich übersetzt habe, sind diesbezüglich sehr offen und hilfsbereit, etwa Ramsey Campbell, Clive Barker, Peter Straub, Nick Mamatas, Matthew Stokoe. Andere Nicht. Stephen King zum Beispiel hat sich anfangs über die mangelnde Qualität seiner deutschen Übersetzungen beschwert. Als ich anfing, seine Bücher zu übersetzen, habe ich mich an ihn gewandt, dass ich das besser machen wollte, und gefragt, ob er mir bei auftretenden Problemen helfen würde – er hat nur unhöflich geantwortet, dass ich ihn gefälligst in Ruhe lassen soll. So viel also dazu.
Was denkst du darüber, dass bei manchen Übersetzungen zu viele Fehler im Text auftauchen, die den Lesefluss hemmen und manche übersetzte Wörter mit dem Sinn des Originals nicht viel gemein haben?
Markus Mäurer: Fehler passieren immer wieder. Die Übersetzungen, die ich abgebe, sind nicht fehlerfrei. Dafür gibt es Lektorat und Korrektorat. Sind zu viele Fehler und schlechte Übersetzungen im Text enthalten, wird es für die Lektorate und Korrektorate schwierig, alles auszubügeln. Es gibt schlechte Übersetzer*innen, welche die schlampig arbeiten, aber oft ist es auch der Zeitdruck, der zu einer hohen Fehlerrate führt. Manchmal liegt einem der Text auch einfach nicht. Genauso gibt es auch schlechte Lektorate, die Fehler erst in den Text reinverbessern. Bei den großen Publikumsverlagen herrscht oft Zeitdruck, was die größte Fehlerquelle sein dürfte. Bei einer bestimmten Art von Unterhaltungsliteratur haben sie wohl auch gemerkt, dass den meisten Leser*innen schlechte Qualität gar nicht auffällt oder egal ist. Bei kleineren Verlagen fehlt oft das Geld für ordentliche Lektorate und Korrektorate. Ungünstig erscheint es mir, wenn Lektorat und Korrektorat von derselben Person gemacht wird, was bei kleineren Verlagen schon mal vorkommt. Es gibt so ein paar Verlage, die dafür schon berüchtigt sind. Insgesamt würde ich aber sagen, dass sowohl kleine als auch große Verlage in der Mehrheit immer noch gute Qualität abliefern.
Bernd Perplies Übersetzungen sind so vielfältig wie die Menschen, die dafür verantwortlich sind. Manche Übersetzer*innen sind sehr gewissenhaft und/oder haben viel Zeit für ihre Arbeit. Andere mögen schludrige Typen sein und/oder müssen sich sputen und machen dann Flüchtigkeitsfehler. Manche bekommen so viel Geld dafür, dass sie sich zeitlich Korrekturdurchgänge und/oder eingehendere Recherche gestatten können. Andere wiederum erhalten so wenig, dass man davon kaum einen Monat leben kann und müssen daher von Job zu Job hetzen. Und genau das Gleiche gilt dann für das Lektorat, das im Bestfall Mängel der Übersetzung ausbügeln sollte. Aber auch hier wird – gerade im Kleinverlagsbereich – extrem wenig bezahlt, sodass Lektoren mitunter durch den Text fliegen müssen, wenn sie davon leben wollen. Die Sorgfalt in allen Bereichen steht immer im Spannungsfeld mit den finanziellen Umständen. Dazu kommt sicher, dass manche Verlage (erneut aus Geldgründen) lieber eine*n Anglistikstudent*in im 4. Semester für Übersetzungen anstellen, als eine*n Profi-Übersetzer*in mit langjähriger Erfahrung. Was sich dann wieder in der Qualität niederschlägt. Aber da es großen Teilen des Buchmarktes nicht annähernd so gut geht wie noch vor 30-40 Jahren (und das wird sich vermutlich auch nicht mehr ändern; das Mediumumfeld heute ist ein völlig anderes), ist das ein Problem, das sich nicht lösen lässt – oder sagen wir: nur durch prinzipielle Selbstausbeutung der Freischaffenden. Oder wenn sich das Buch zum Luxusobjekt wandelt. Wenn ein Roman 40 Euro kostet (was realistisch betrachtet niemand zahlen will), könnten vermutlich alle Beteiligten ordentlich bezahlt werden und bessere Arbeit abliefern.
Christina Löw: Ehrlich gesagt klingt das für mich eher nach Google Translate als nach einer Übersetzung. Denn klar, auch Menschen, die übersetzen und/oder Übersetzungslektorate/-korrektorate machen, übersehen mal Kleinigkeiten, die wenigsten Texte sind zu 100% fehlerfrei, aber in dem von dir beschriebenen Ausmaß sollte das wirklich nicht vorkommen. (Anmerkung N.R.: Dieser Artikel und somit auch das von mir beschriebene Problem entstand nach der Lektüre von Stephen Kings »FairyTale«.)
Diandra Linnemann: Merkbare Übersetzungsfehler gehören zu meinen Pet Peeves – nicht nur in der Literatur, sondern in allen Unterhaltungsmedien. (In Gebrauchsanleitungen kann ich darüber lachen.) Inzwischen habe ich auch meinen Partner damit angesteckt. Wenn wir finden, etwas liest sich (oder klingt) seltsam, machen wir uns oft auf die Suche nach dem Originaltext, um unserem Verdacht auf den Grund zu gehen.
Janna Ruth: Ich empfehle meinen Kund*innen immer, sich auf jeden Fall danach noch ein Übersetzungslektorat oder zumindest -korrektorat zu suchen. Als Übersetzer*in ist man wie als Autor*in zu nah am Text dran, um manche Fehler zu sehen.
Was die teilweise unsinnigen Übersetzungen angeht, kann ich mir vorstellen, dass daran Zeitmangel aber auch eine gewisse Sprachverwirrung stattfindet. Zumindest geht es mir beim ersten Durchgang so, dass ich so fest in der Fremdsprache drin bin, dass ich gar nicht merke, dass der Satz auf Deutsch so nicht funktioniert, weil mein Gehirn ihn quasi gleich wieder in die Fremdsprache einordnet.
Frank Böhmert: Fehler passieren immer wieder, Pfusch auch. Das ist in jedem Handwerk so. Und auch bei den Besten lassen sich weniger gelungene Stellen und sogar glatte Fehler finden. Unterm Strich finde ich aber, dass die Qualität der Übersetzungen in Deutschland in den dreißig Jahren, die ich jetzt dabei bin, deutlich zugenommen hat. Und ich bilde mir ein, das beurteilen zu können, denn ich lese regelmäßig Übersetzungen aus dem englischen Sprachraum. Der Sinn des Originals, da sind wir schwupp wieder beim Interpretieren. Lesen ist auch Interpretieren, nur im Verborgenen.
Lena Richter: Ich denke, da gibt es verschiedenste Faktoren. Soweit ich es weiß, sind gerade bei Großverlagstiteln und Büchern, die weltweit zum selben Tag in allen möglichen Sprachen erscheinen sollen, die Deadlines sehr knapp und teilweise arbeitet da ja auch ein ganzes Team von Übersetzer*innen abschnittsweise am selben Buch, sodass es zu Inkonsistenzen kommt. Was Fehler angeht, ist dann natürlich die Frage, was noch das Lektorat und Korrektorat gemacht hat, die selbige ja ausbügeln sollten. Bei fehlerhaft oder falsch übersetzten Wörtern kommt es vermutlich darauf an, ob die in großer Eile entstanden sind oder weil da vielleicht jemand die Redewendungen im Original gar nicht so gut kannte, wie es erforderlich wäre. Letztendlich ist es alles eine Frage der Produktionsbedingungen. Wenn großer Zeitdruck herrscht, passieren Fehler. Wenn die Bezahlung so ist, dass eine Person, die hauptberuflich übersetzt, sich nur eine bestimmte Anzahl von Stunden Zeit nehmen kann, damit sie am Ende keinen Stundenlohn von € 2,50 hat, wird sie nicht über jede Formulierung lange nachdenken können. Wenn ein Übersetzungshonorar so gering ist, dass der Auftrag nur von Leuten angenommen wird, die das als Hobby nebenher machen und ihr Geld anderweitig verdienen, ist es eben dann auch eine Übersetzung, die als Hobby gemacht wurde – das kann dann gut oder weniger gut gelungen sein.
Am Ende ist der ganze Literaturbetrieb nach wie vor, bis auf wenige Gutverdienende, eine Branche, in der sehr viele Leute unterbezahlt sind. Woher sollen dann die perfekten Bücher kommen?
Joachim Köber: Man muss da natürlich grundsätzlich unterscheiden zwischen reinen Druckfehlern, fehlenden Worten, doppelten Worten, usw. für die Übersetzer in aller Regel nichts können (selbst wenn Übersetzern so etwas passiert, sollte das Lektorat das eigentlich bemerken!), und eben echten Übersetzungsfehlern, die aber dem Lektorat auch auffallen sollten. Ein schönes Beispiel, das mir einfällt: In einer Story von H. P. Lovecraft leidet der Protagonist an Gicht, weil er sein Leben lang viel Fleisch gegessen hat – the old beef eater – steht da im Original. In der deutschen Übersetzung heißt es der alte Palastwächter. Es ist so, dass man in England die Wachen im Tower Beefeater nennt, da hat der Übersetzer sich also schon was gedacht, aber leider eben was Falsches. Der gute Protagonist hat Gicht, weil er sein Leben lang Fleisch gegessen hat, und nicht, weil er im Tower arbeitet. Dass Lovecraft Amerikaner ist und sicher keinen spezifisch britischen Ausdruck verwendet, hätte dem Übersetzerkollegen und dem Lektor natürlich zu denken geben müssen, genau wie die Tatsache, dass die Bemerkung mit Palastwächter gar keinen Sinn ergibt. Oder ein anderes Beispiel: In einer Story von Jonathan Carroll ist einmal von den Three Stooges die Rede, den amerikanischen Filmkomikern. Der Übersetzer (ich nenne seinen Namen jetzt nicht, es handelt sich aber um einen sehr gestrengen Kritikus, der sein Leben dem Kampf der verderblichen Schundliteratur gewidmet hat), hatte offenbar keine Ahnung, wer die drei Stooges sind und hat das einfach mit >die drei Wesen< übersetzt. Auch hier zeigt sich ein Übersetzungsproblem, das viele unterschätzen: Man muss eben nicht nur Deutsch und die Originalsprache beherrschen, sondern sich auch mit der Kultur der Herkunftsländer auseinandersetzen, und mit der Pop-Kultur, die viele zeitgenössische Autoren gern zitieren, sonst kann man als Übersetzer eben nicht die Leistung bringen, die Autor, Werk und Publikum verdienen.
Dein letztes Wort? Dein Wunsch als Übersetzer*in an Auftrageber*in und Leser*in.
Markus Mäurer: Auf meinem Blog habe ich im letzten Jahr (2022) einen Text mit dem Titel »Liebe Buchbranche, wir müssen reden!« verfasst. Darin geht es darum, dass die Honorare für Übersetzungen in den letzten 20 Jahren praktisch gar nicht gestiegen sind. Da liegt inzwischen ein Kaufkraftverlust von ca. 20% vor. Das muss sich dringend ändern. Es kann nicht sein, dass bei immer weiter steigenden Kosten, und während fest angestellte Arbeitnehmer*innen regelmäßig Gehaltserhöhungen erhalten, die Freiberufler*innen dabei auf der Strecke bleiben. Die Arbeit in dem Beruf grenzt inzwischen an Selbstausbeutung.
Bernd Perplies: Natürlich gibt es auch unter Übersetzer*innen schwarze Schafe (wie in jedem Beruf, schätze ich), die keine Lust haben, sich für ihr Geld zu viel Mühe zu geben und beispielsweise auf eine Korrekturrunde nach der Übersetzung verzichten. In der Regel, das glaube ich zumindest, sind Fehler jedoch der oft prekären Zeit- und Finanzsituation von Freischaffenden geschuldet. Sie sind also ein Symptom der grundsätzlichen Krise des Buchmarktes, auf dem viel zu viel produziert und dann in viel zu geringen Stückzahlen verkauft wird, als dass es sich für die Beteiligten lohnen würde.
Christina Löw: Ich freue mich immer sehr, wenn (ausnahmsweise) auch einmal die Qualität einer Übersetzung gelobt wird und die Arbeit der Übersetzenden Wertschätzung erfährt; das muss dann gar keine meiner eigenen sein. Obwohl Übersetzungen so allgegenwärtig sind, bleiben die Übersetzenden selbst leider oft unsichtbar – es sei denn, es gibt etwas zu bemängeln (z.B. am Inhalt des Buchs), wofür die Übersetzenden nicht einmal etwas können.
Diandra Linnemann: Seid nett zu euren Übersetzer*innen! Wenn sie ihren Job gut machen, merkt man nicht einmal, dass es sie gibt, deswegen erfahren Übersetzer*innen oft viel zu wenig Liebe.
Frank Böhmert: Ich habe das in öffentlichen Diskussionen schon öfter gesagt, und Auskenner*innen wollen es nie hören, darum wiederhole ich es an dieser Stelle: Ich übersetze nicht für Leute, die sehr gut Englisch können, sondern für Leute, die nicht oder kaum Englisch können. Das ist die Messlatte, die ich anlege, und da können sich Auskenner*innen dann gern empören, weil ich etwas „verfälsche“, aber ich will tatsächlich den Leuten, die keine Chance haben, das Original zu lesen, möglichst viel von dessen Wirkung in der Ursprungssprache rüberbringen. Das ist mein Job. Dafür nehme ich Geld. Übersetzen ist immer auch eine Inklusionsleistung.
Lena Richter: Ich würde trotz der Kritik an nicht so gut gelungenen Übersetzungen zum Abschluss gern darauf hinweisen, dass Übersetzungen auch immer Zugänglichkeit bedeuten. Selbst Englisch sprechen längst nicht alle Menschen so gut, dass sie darin problemlos jeden Roman lesen könnten, von anderen Sprachen ganz zu schweigen. Deshalb würde ich sagen, dass auch eine unperfekte Übersetzung immer noch besser ist als gar keine. Auch wenn es natürlich wünschenswert wäre, dass alle Übersetzenden die Zeit und das Geld bekommen, um die bestmögliche Übersetzung abzuliefern, die ihnen möglich ist.
Joachim Körber: Grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass die Verlage etwas mehr Augenmerk auf Qualität legen und nicht nur darauf achten, welcher Übersetzer etwas für so wenig Honorar wie möglich macht. Vor Jahrzehnten schon hat der Kritiker Denis Scheck in Bezug auf Science Fiction einmal gesagt: »Verlage kaufen oft literarisch hochkarätige SF-Romane ein und machen in der Übersetzung dann tausendseitige Schundhefte daraus.«
Vielen Dank für eure vielfältigen Antworten, die mir und uns einen interessanten Einblick über die wichtige Arbeit der Übersetzung gegeben haben.
Das Interview erschien im April 2023 in der phantastisch! #90 (Atlantis Verlag). Das Magazin ist als Print-Ausgabe und PDF zum Download für z.B. deinen Kindle verfügbar.
Vielen Dank an den Atlantis Verlag und den Redakteur Klaus Bollhöfener.