KOLUMNE: Genuss ist (k)eine Kunst


PferdesauNie zuvor hat totes Fleisch so viel Zuspruch erfahren, Witze, Gags und gute Laune gebracht. Doch mal ehrlich: Es ist zum Kotzen. Auf die verpferdete Schweinehack-Lasagne folgten der Bio-Eierskandal, verseuchte Futtermittel, Gammelfleisch und andere versaubeutelte Köstlichkeiten. Kein Wunder, dass sich Rind, Huhn und Pute eine Überdosis Antibiotika gönnen. Diesen Eiertanz um Lebensmittel hält kein Schwein aus. Allerdings blieb der große Aufschrei schon bei den vermeintlichen Bio-Eiern aus. Und auch die nachfolgenden Skandale hat der Verbraucher schnell geschluckt. Stopp! Schlucken Sie nicht alles, was der Lebensmittel-Markt Ihnen anpreist. Bitte fragen Sie vor dem Verzehr Ihren Bauch und Ihren Verstand, ob der Genuss des von Ihnen gekauften Gerichts Nebenwirkungen hervorrufen kann.

Panschen im großen Bottich

Nach dem Lasagne-Köttbullar-Fertiggericht-Skandal ertönte Geschrei und die Entrüstung schien riesig. Bio-Eier sind nur gewöhnliche Eier von Hühnern, die nicht so glücklich auf einer Wiese ihre Körner picken. Unschön, aber anscheinend verkraftbar. Dem folgten giftige, krebserregende Stoffe in Futtermitteln, das gesunde Rinder wiederkäuten und sich so bis zu ihrem gewaltsamen Tod schleichend vergifteten. Sie schmeckten es vielleicht und muhten kritisch. Doch der Bauer wusste es nicht und ignorierte das Muhen.
100% Pferdefleisch in der Lasagne war vielleicht gar nicht so verkehrt? Pferde werden mit Antibiotika behandelt, wie die Puten, über die kürzlich in der Presse skandalös berichtet wurde. Eigentlich praktisch: Zur Grippezeit werden so gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen – und auch die werden irgendwie verwurstet, die Fliegen.
GammelfleischOb nun Gift oder Antibiotika im Fleisch, das Ministerium weiß: »Ist alles nicht schlimm! Krebserregende Stoffe sind nicht gut, aber in diesem Fall egal.«
Ahja!?
Eins wird bei all diesen Skandalen klar, die nicht die letzten ihrer Art gewesen sein werden: Das Ministerium stinkt zum Himmel.
Das ist schade, sind sie es doch die dort arbeitenden Damen und Herren, die sich dazu berufen fühlen, die Bürger des Landes zu schützen. Bei all den vergangenen Skandalen ging es um Lug und Betrug, des Geldes wegen.
Augen zu und reingebissen!

Der Mensch ist was er isst und is(s)t nicht selten machtlos

Im Vertuschen sind sie alle perfekt: Die Unternehmen, die Panscher und die Politiker. Strenge Gesetze und eine unangefochtene Ehrlichkeit kann der Verbraucher von dieser Seite nicht erwarten. Er muss selbst entscheiden, was er isst. Greift er zum Fertigprodukt, muss er wissen, dass dort nicht immer das drin ist, was auf der Verpackung steht.
In allem was zusammengematscht und kleingehäckselt und haltbar gemacht wurde, besteht die Möglichkeit, dass dem Verbraucher ein Hua für ein Muh vorgemacht wird. Schlimmer: Im kleingeraspelten Hackfleisch können sich noch andere tote Tiere verbergen, die zufällig bei einer Testprobe entdeckten werden. Und gibt es keine Testprobe, dann werden sie auch nicht entdeckt. Wie auch immer, gegessen ist gegessen. Und war das wirklich lecker? Auch im gefrorenen Rahmspinat – kleingehackt – verstecken sich nicht selten Insekten, die sich bei der Ernte lebenswillig an ihr Blatt festklammerten. Von Herstellerseite heißt es dann: »Kann passieren.«*
Bei den Eiern liegt das anders – kaufe ich Bio-Eier aus Überzeugung und erfahre ich später, da ist zwar Ei, aber kein Bio drin, habe ich viel Geld für nix bezahlt. Aber mal
Bioeierehrlich: Ein günstiges Bio-Ei beim Discounter kann kein echtes Bio-Ei sein. Wie soll das finanziell funktionieren? So entstehen Betrug, Lug und Panscherei – manchmal aus dem Willen heraus, überleben zu müssen, nicht selten aufgrund des Gewinns.
Beim Futtermittelskandal ist der Kunde machtlos. Als Verbraucher habe ich keine Ahnung, woher der Bauer das Futter bezogen hat, das von der Kuh gegessen wurde, die ihre Milch für den Frühstücksjoghurt gespendet hat. Vermutlich weiß der Bauer das auch nicht, denn der kauft das Futtermittel bei einem Hersteller und der … eine lange Kette, in der eine Menge Sauerei reingepanscht werden kann.

Fleisch, Fisch, Gemüse – mit und ohne Welterfahrung

So ein Schnitzel ist ne arme Sau, von einem deutschen Schwein abgeschnitten, gut abgehangen über die deutsche Grenze, in die Niederlande entführt und von da aus paniert
zum Verpackungslager nach Polen geschippert, um später tiefgekühlt in einem deutschen Geschäft zu landen.

Warum wird Fleisch für deutsche Fertigprodukte einmal um die Welt gekarrt, irgendwo im Nirgendwo verarbeitet und zurück nach Deutschland geschifft?
Das geht zu Kosten der Umwelt, der Wirtschaft und des guten Geschmacks. Denn auf der langen Reise packen viele Hände das Fleisch an und genauso viele Meinungen fließenEin Fleisch geht um die Welt in den Weiterverkauf. Und so erhält Fleisch eine schmackhafte Würze von dubiosen Firmen, seltsamen Praktiken und „Leck-mich-am-Arsch“-Geschäftsprinzipien. Nicht Pfeffer und Salz sondern Gift, Schimmel, Gammel & Co. landen im Gericht.

Durch diese Einfuhr-Ausfuhr-Politik umgehen die Firmen die von Deutschland gesetzten Richtlinien bei Lebensmitten, denn ausländische Firmen sind nicht grundsätzlich dem deutschen Lebensmittelgesetz unterworfen. Und diese rechtlich abgesicherte Fleisch-Einfuhr wird nicht nur beim Fleischhandel so praktiziert.
Die Regierung in Serbien, so berichtete der Stern, soll den Richtwert des krebserregenden Stoffes Aflatoxin, der in den Futtermitteln (Skandal III/V 2013) gefunden wurde, kurzerhand hochgesetzt haben.

Warum futtern deutsche Rinder serbischen Mais, obwohl der deutsche Mais doch um die Ecke wächst?! Und wieso durfte das Futtermittel mit den für Deutschland zu hohen Grenzwerten eingeführt werden? Ach – die Politiker und Entscheidungsträger waren gerade beim Essen? Verstehe.
Na dann, Mahlzeit!

Jetzt aber mal Tacheles: So backen wir einen Skandal

Man nehme eine Aluschale, werfe eine vorgekochte Scheibe Nudeln hinein, mische Fleisch aus der Resteverarbeitung zusammen, das einmal quer durch die Welt gereist ist, ertränke es mit einer gelben Sauce und würze großzügig mit verschiedenen E’s und allerlei Haltbarmachern.
Kann das schmecken? Sorry, nein. Das stopft vielleicht das Loch im Magen, aber ein ehrlicher Genuss für die Geschmacksknospen ist das nicht.
Doch dem großen Geschrei nach, müssen viele Menschen Fertig-Lasagne mithilfe der Mikrowelle aufgewärmt und verspeist haben. Es wird von Verunreinigung und Betrug gesprochen.
Stimmt.
LasagneFertig-Essen aus der Tiefkühl-Ecke ist eine Verunreinigung für den Körper. Das weiß jeder, der die Inhaltsstoffe durchliest, auch ohne zu wissen, dass nicht das drin ist, was drin sein sollte.
Geschmack und Niveau passen nicht in eine Aluschale.
Doch: Jeder soll das essen was er möchte. Aber so wirkte manche Aufregung ein bisschen aufgesetzt.
Wer ein Fertiggericht kauft, der darf sich nicht wundern, dass darin Stoffe verarbeitet wurden, die vielleicht nicht gegessen werden möchten. Fertiggerichte erhalten nicht nur Fleisch von Tieren, die kein Rind sind, sondern auch eine Menge anderes Zeugs, um die vermeintlichen Leckereien haltbar zu machen und ihnen einen Geschmack zu geben, der weit entfernt von einer frisch zubereiteten Lasagne liegt. Wer was anderes glaubt, macht sich etwas vor. Das wäre okay, dann aber bitte nicht aufregen.
Unser Essen ist gesund, wenn es an der richtigen Stelle gekauft und entsprechend zubereitet wird. Eine aufwändige Verpackung aus Folie und Karton und eine Mikrowelle gehören nicht dazu.

Merke:
Es ist nicht alles lecker, was in der Mikrowelle gekocht wird.
Kein Ei für eine Kartoffel vormachen lassen.
Nur wer frische Zutaten selbst verwurstet, kennt den wahren Topfinhalt.

Essen kochen mit Herd und Verstand

Markt vs Mikrowelle

Auspacken. Mikrowelle an. Schale rein. Klingel. Fertig! Langweilig.
Eine Tiefkühl-Pizza in den Ofen schieben? Kann doch jeder.
Fertiggewürze übers Essen streuen? Schmeckt doch immer gleich.

Schon Goethe wusste »Das Leben ist zu kurz für schlechten Wein.«
Der Remscheider Kaffeeröster Rigano wirbt mit dem Slogan »Das Leben ist zu kurz für schlechten Kaffee.«
Und ein guter Koch weiß »Das Leben ist zu kurz für schlechtes Essen.«
Denn »Essen ist ein Bedürfnis, genießen eine Kunst.« Nicht nur das. Genuss macht satter. Genuss belebt. Genuss ist der kleine Orgasmus der Geschmacksknospen.

Selber kochen ist Abenteuer, Lebensfreude und bringt die Seele ins Gleichgewicht. Kochen entspannt und bietet eine stetige Neuentdeckung an Speisen, Gewürzen und Geschmäckern. Natürlich geht mal was daneben. Na und? Beim nächsten Mal klappt es besser.
Kochen mit frischen Zutaten macht nicht nur richtig Spaß, kochen ist lehrreich und günstiger als der regelmäßige Griff in die Kühltruhe. Weniger Tiefkühlkost bedeutet übrigens auch eine kleinere Tiefkühltruhe zu Hause und das spart Strom – ein positiver Nebeneffekt bei der Verwendung frischer Zutaten.

Ein Beispielrezept:

  • 1 Blumenkohl – Preis auf dem Wochenmarkt ca. 1,- bis 3,- €
  • 1/2 Packung Frischkäse – Preis je nach Marke und Angebot 0,80 bis 1,80 €
  • Pfeffer, Salz, Gemüsebrühe
  • Muskat

Mehr ist für eine cremige Blumenkohlsuppe nicht nötig.

Der Preis für die gleiche Menge tiefgefrorenen Blumenkohl variiert. Er ist aber nur selten günstiger, der Geschmack jedoch schlechter. Auf dem Weg bis zum Verbraucher kann die Kühlkette unterbrochen werden. Beim Auftauen verliert der Kohl sein Aroma, er schmeckt verwässert.  Einziger Vorteil: Die Zubereitung geht schnell. Packung auf, ab in den Topf.

  • Beim echten Blumenkohl müssen die äußeren Blätter und der Strunk entfernt werden.
  • Alle Röschen auseinanderbrechen oder abschneiden und in Salzwasser kochen. Das dauert je nach Menge ca. 10 Minuten.
  • Mit der Gabel prüfen, ob der Blumenkohl weich ist. Wasser abschütten.
  • Je nach Geschmack ½ bis 1 Packung Frischkäse und
  • ¼ l Gemüsebrühe dazugeben.
  • Mit dem Pürierstab cremig rühren. Manchmal muss etwas mehr Brühe dazugegeben werden, das hängt von der Größe des Blumenkohls ab und ob die Suppe cremiger oder flüssiger gemocht wird.
  • Mit Pfeffer, Salz und Muskat abschmecken.
  • Fertig!

Ergänzende Varianten: Brotwürfel in Olivenöl anrösten, geräucherten Lachs oder geräucherten Speck anbraten und die Suppe damit garnieren. Auch Schnittlauch, Petersilie oder Kresse eignen sich als schlichte Kräuter-Garnitur. Wer Luxus mag, brät Gambas dazu. Sehr lecker ist auch frischer Bärlauch, eine kleine Handvoll in die Suppe geben und mitpürieren. Lieber weniger als zu viel, denn Bärlauch ist sehr aromatisch und dominant, schmeckt mit dem Blumenkohl aber lecker.

Tipp: Auf dem Wochenmarkt stöbern und feststellen, dass die Preise dort nicht hoch sind und es alles gibt, was für eine ausgewogene Kost nötig ist. Stehen keine Preise dran? Fragen. Dafür hat der liebe Gott dem Menschen die Sprache geschenkt.
Frisches Gemüse macht Lust auf mehr und schmeckt viel besser. Bei einer Neuentdeckung einfach im Internet nach einem Rezept suchen und sich inspirieren lassen. So entstehen eigene, stets wandelbare Kreationen. Auch Fleisch, Eier, Fisch und Käse sind auf dem Wochenmarkt in der Regel von sehr guter Qualität.
Kein Wochenmarkt in der Nähe? Gute Obst- und Gemüsegeschäfte und einen seriösen Metzger sollte es in jeder Stadt geben.
Viel Spaß beim Entdecken und Ausarbeiten der eigenen Geschmacksknospen!

Genuss wie im Märchen – das kulinarische Event – eine persönliche Erfahrung

Kerzenlicht, angetrieben durch den feinen Luftzug, der durch die alten Holzfenster strömt, wippt im Rhythmus der leisen Musik. Die Fenster – weiß lackiert, mit Hebelverschlüssen aus Metall, die den Kontrast bieten. Die Vertäfelung und die Tapeten an den Wänden, der Stuck an der Decke passen zum Ambiente. Tische und Stühle sind aus massiver Eiche, robust und natürlich schön. Der alte Dielenboden knarrt leicht. Scheinwerferlicht flackert auf, dicke Schneeflocken tanzen im Lichtkegel. Ein perfektes Szenario, vom Zufall bestellt. Für diesen Moment fühle ich mich in eine andere Zeit versetzt. Nur das elektrische Licht erinnert daran, dass ich 2013 in der Villa Paulus diniere. Andere fahren in den Urlaub, wir gönnen uns Atmosphäre mit Gaumenschmaus vom Feinsten. Zum zweiten Mal ein unvergessenes Erlebnis, bei dem mir klar wird, wie viel ein Koch und ein Schriftsteller gemeinsam haben.

Kreative Ideen lassen sich nur umsetzen, wenn das Handwerk beherrscht wird. Ein Koch muss ähnlich kreativ sein wie ein Autor, um den Konsumenten mit hochwertiger und perfekt abgeschmeckter Kost zu verzücken.
Mit einem Unterschied: Das Werk eines Kochs ist nur von kurzer Dauer. Ein Buch kann jedoch über Jahrhunderte im Gespräch bleiben.
Zum Trost kann ich dem Koch der Villa Paulus bestätigen, dass seine kulinarische Kreativität mir bis heute im Kopf und auf der Zunge geblieben ist, und damit meine ich nicht den ersten wirklich perfekten Vegetarischen Teller, den ich am 21.02.2013 dort essen durfte, nein, ich meine das Essen, das wir 2012 in der Villa Paulus einnahmen. Lachs mit Ziegenkäsefüllung, Kartoffelpüree mit einem Hauch Vanille und diesen köstlichen Möhrchen. Ich sehe das Gericht immer noch auf dem Teller vor meinem geistigen Auge und schmecke es auf meiner geistigen Zunge. Ich freu mich schon auf das nächste Mal. Doch:

Ein besonderer Ort sollte nur zu besonderen Ereignissen aufgesucht werden, sonst verliert er sich in Alltäglichkeit. Gutes Essen gehört jedoch jeden Tag auf den Teller.


Webtipps:

www.backstars.de – tolle Seite für alle, die besondere Gewürze und Backzutaten suchen
www.chefkoch.de – Tipps und Rezepte satt
www.deutsches-obst-und-gemuese.de –  Saisonkalender und viele Infos zu Obst und Gemüse aus Deutschland
Kochen mit Tim Mälzer bei stern.de 

(Auch einen tollen Tipp zum Thema Backen und Kochen? In den Kommentaren ist Platz dafür. Danke!)

© Grafiken: Dirk Rensmann
© Text: Nicole Rensmann

(*selbst erlebt.)

Mach es wie die Gebrüder Grimm: Erzähl es weiter.