Rezension: »Die Insel der Tausend Leuchttürme« von Walter Moers / Penguin

Walter Moers
»Die Insel der Tausend Leuchttürme«
Penguin Verlag 2023
ISBN 978-3328600060
42 €

Johann Wolfgang von Goethe (»Die Leiden des jungen Werthers«), Bram Stoker (»Dracula«), Mary Shelley (»Frankenstein«) und viele andere Autor:innen haben in der Vergangenheit einen Roman in Briefform geschrieben. Nun verwendet auch Walter Moers in seinem neusten Werk »Die Insel der Tausend Leuchttürme« diese Erzählform.

Im Interview mit Denis Scheck sagte Walter Moers, mit fünf Jahren sei er für drei Monaten wegen seines Asthmas allein auf eine Insel geschickt worden. Mit »Die Insel der Tausend Leuchttürme« verarbeitet er dieses Trauma. Dank dieses Hintergrundwissens wird klar, warum das Buch … psscht! Kein Spoiler.

Tipp: Anfang des Jahres durfte ich Walter Moers interviewen – zu lesen in der Aprilausgabe #90/2023 des Magazins phantastisch! – Atlantis Verlag, Print / E-Book.

Ins Buch geschaut

Mit der Übergröße und mehr als 650 Seiten liegt das schicke Hardcover ziemlich schwer in der Hand. Aber das kennen Zamonienfans. Vorne und hinten, auf den Vorsatzblättern – wie gewohnt – eine Landkarte, außerdem über 100 Grafiken von Walter Moers, der dieses Mal nicht mit Tusche, sondern mit Bleistift gezeichnet hat. Ein Lesebändchen sorgt dafür, dass Seiten nicht an den Ecken geknickt werden müssen (gruselige Vorstellung). Auf den letzten Seiten werden die bisherigen Walter Moers Romane mit Cover, Grafik und Beschreibung vorgestellt. Sehr schön.

Die Briefe

Für eine Reise muss man nicht das Haus verlassen. Die phantastischsten Reisen sind die im eigenen Kopf.

Gryphius von Oldenhobler aus »Die Insel der Tausend Leuchttürme«

Mit diesem Zitat beginnt Walter Moers seine aktuelle Zamonienreise. Hildegunst von Mythenmetz begibt sich in Kur auf »Die Insel der Tausend Leuchttürme«, auch bekannt unter dem Namen Eydernorn, um sein hypochondrisches Asthma zu heilen. Von dort schreibt er seinem Freund Hachmed Ben Kibitzer neunzehn Briefe, die er aber nie abschicken wird.

Diese Briefe sind ausschweifende Reiseberichte über Bekanntschaften, Kurschatten und Begebenheiten auf der Insel Eydernorn – allesamt seltsam-skurriler Natur á la Mythenmetz.

Nachdem Hildegunst die Überfahrt zur Insel unbeschadet und ohne Seekrankheit überstanden hat, muss er sich zunächst vom Kurarzt De Bong beschimpfen lassen, bis dieser die Prominenz in dem Lindwurm erkennt. Ab sofort wird Hildegunst bevorzugt behandelt und bekommt Insidertipps zur Inselerforschung, denen Hildegunst gerne nachgeht. Nach seinen lebhaften Erkundungen genießt er Eydernorner Kulinariker, wie Vampirtintenfisch in Eigenblut oder gebackener Fackelfisch auf Seepferdchensalat. Besonders begeistert ihn das aufputschende Orkanbrot. Hildegunst besucht Museen und vertreibt sich die Zeit mit dem Eydernorner Volkssport – das traditionelle Kraakenfieken, bei dem sich Hildegunst als Profi herausstellt. Da wäre noch seine wachsende Liebe zu Hummduddel, die auf der Insel entfacht wird und Queekwigg, der zu seinem treuen Begleiter wird. Zu seiner Überraschung lernt Hildegunst von Mythenmetz die Eigenheiten der Leuchtturmwärter kennen, deren Bekannte und Verwandte nicht nur Hildegunst, sondern auch die Zamonien-Leser:innen sehr gut kennen.

Hildegunst lässt uns an all dem Teilhaben, was ein zamonischer Lindwurm auf einer zamonischen Insel so macht. Ein Monolog in Briefform, angenehm unspannend, herrlich moerschig mit skurrilen Wesen wie dem Quaquappa oder den Hummdudeln, die allesamt ihre Bestimmung erst sehr spät im Buch preisgeben. Ab Seite 250 fallen kleine Bemerkungen über die Wolkenfirmation und das erste Mal kommt der Verdacht auf, dass die vom Verlag angekündigte Zamonische Apokalpyse doch eintreten könnte. Ob dem so ist oder ob Hildegunst von Mythenmetz erholt von seiner Kur zurückkehrt, wird an dieser Stelle nicht verraten.

Fazit

Ein zamonisch-authentischer Reisebericht – großartig geschrieben, phantasiereich, schräg und an den richtigen Stellen witzig. Die Apokalypse hätte ich nicht gebraucht. Ich mochte die Tuschezeichnungen in den früheren Zamonienromanen sehr, aber die Bleistiftgrafiken passen besser zur Story – es hätten von mir aus noch viel viel mehr sein dürfen. So oder so: Ein echter Moers.

Video zum Buch

Einen kleinen Einblick ins Buch erhältst du auch auf meinen Accounts bei Tiktok und Instagram.

Web


Hinweis:
Wenn du auf den Buchtitel klickst, gelangst du zu amazon, mit einem Kauf unterstützt du diesen Blog. Für dich entstehen keine zusätzlichen Kosten.
Vielen Dank an den Penguin Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplars.



Mach es wie die Gebrüder Grimm: Erzähl es weiter.