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Nicole Rensmann »Niemand – Mehr!« (Band 2)

Ursprünglicher Preis war: 16,90 €Aktueller Preis ist: 10,00 €.

Paperback
Klappbroschur / ganzseitige Karte
Fabylon Verlag, August 2016
ISBN 978-3-927071-97-1

Cover & Illustrationen: Timo Kümmel

Beschreibung

Nicole Rensmann

Niemand – Mehr! (Band 2)

Das Niemandsland wartet auf dich! Alle Infos zur Buchserie auf der offiziellen »Niemand«-Seite

Die Magie verloren, die Nacht zerstört. Die Guten verschollen, das Böse verstört.

Zehn Jahre später. Das Niemandsland ist abgebrannt, die Nacht verschwunden. Die Bösen haben die meisten Bewohner eingesperrt, versklavt oder getötet. Nur Wenige haben ein Versteck gefunden. Nina, einst als Retterin gefeiert, wird verleumdet. Niemand ist verschwunden. Alle Hoffnung scheint verloren.

Doch Nina kehrt zurück. Gemeinsam mit dem vergesslichen Galgenfrauchen, dem einzigen seiner Art, einem Klingelmäuschen ohne Nase und einer übernervösen Knalltüte sucht sie nach den letzten Überlebenden – und nach Niemand, der seinen Namen verloren hat und damit sich selbst.

Mit zauberhaften Illustrationen und Karte von Timo Kümmel.

Leseprobe

PROLOG

 

Es war einmal.

Nachdem Böses das Land überfiel – Tod und Folter im Gepäck – räumte er hinter allem Schlimmen auf:

Der Schrottmann.

Er tauchte aus dem Gar Nichts auf und siedelte sich nicht weit von der Grenze des Elends an, knapp hinter dem Arsch der Welt.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Auch in diesem Märchen, in dem sich der Schrottmann seinen Platz schaffte und die Bösen sich ihren Platz nahmen – beide, ohne um Erlaubnis zu bitten. Denn zu allem Bösen fehlte das Gute. Das Gleichgewicht lag nicht auf der Waage.

Wer das Gute ins Land zurückzubringen vermochte, darauf wusste Niemand eine Antwort. Doch dem hatte der Verlust die Sprache geraubt. Ein Ende der Grausamkeiten schien nicht in Sicht.

 

»Aaaalte Eiissssseeeeeen!«, brüllte der Schrottmann laut. Die Taube auf dem Dach flog erschrocken fort, sie hatte auf dem Ast geruht, der in das Dach vom Haus der Laberköppe ragte. Im Winter rutschten darüber Eis und Schnee ins Haus und verwandelten es in den Palast der Schneekönigin. Die Königin jedoch hatte das Land verlassen. Der Winter sollte im nächsten Jahr nicht mehr einkehren. Baum und Haus fielen den Bösen zum Opfer. Die Taube kehrte nie wieder zurück.

»Aaaalte Eiissssseeeeeen!«

Der Schrottmann blieb bei seinem Geschrei, das lauter als das des Teufels klang, wenn der sich um sich selbst scherte, und das schlimmer als das Brüllen der siamesisch-verdrillingten Kreischzwerge in den Ohren gedröhnt hatte. Schiz, Zof und Freny, diese drei, brüllten schon lange nicht mehr. Die Goldgelockten-Giganten-Greislinge hatten sie ausgenutzt. Kaum hatten sie den Beweis der kreischzwergigen Loyalität in ihren Froschklauen gehalten, töteten sie Schiz, Zof und Freny. Von da an war es aus mit dem siamesisch-verdrillingten Geschrei der Kreischzwerge. Für immer.

 

Für immer verschwanden auch all die anderen Bewohner, die sich nicht schnell genug in ein Erdloch verkrochen oder in einer Höhle Schutz suchten. Die Bösen sammelten alles Leben ein und steckten es in das Verlies. Manches überließen sie dem Schrottmann – ein stilles Übereinkommen der Boshaftigkeit.

Er war ein Sammler, ein Jäger. Er sammelte E-Mann-Zehen, auch wenn sie noch zappelten. Defekte Roboter und deren Eingeweide nahm er gern und zögerte nie, wenn sich die Blechmänner gegen die Verschrottung wehrten. Jedes Wesen, das komplett oder nur teilweise aus Metall bestand, nahm er für seine Sammlung mit. Metallisch schön, im Herzen rein. Das waren seine liebsten Stücke.

Vom Marktplatz klaubte er Piercings und Ohrringe – goldfarbene mit Patina, manche verbogen, aber alle blutig und mit grünem Glibber überzogen. Im gesamten Land entdeckte er Taler und Ketten, vieles aus Gold. Er nahm alles mit.

Gab es keinen greislinglosen, goldigen Goldgelockten-Giganten-Greisling-Schmuck, grapschte er gern grinsend großzügige Goldmengen gewalttätig ab.

Auf die Motorhaube des Schrottwagens hatte er sich einen starken Magnet geschweißt, den er mithilfe eines Hebels neben dem Lenkrad ein- und ausschaltete. Eine rote Leuchte auf dem Dach warnte die Metallwesen vor der magnetischen Sogkraft. Er spielte fair, nach seinen Regeln – der Schrottmann. Wer sein Versteck hinter verbrannten Holzscheiten gewählt hatte oder nicht tief genug in die Höhle gerannt war, erhielt eine Gratis-Fahrkarte zum Schrottplatz.

Dem Schrottmann war es einerlei, welche Namen sie alle trugen. Er wollte sie nur besitzen. Manche mehr als andere.

Der Bleikopf stand schon lange an erster Stelle auf seiner Wunschliste. Doch er versteckte sich gut.

Und sobald die Ungeduld mindestens einmal in der Woche auf dem Beifahrersitz des Schrottwagens Platz nahm, warf der Schrottmann alle seine Regeln über Bord. Anschließend schaltete er zuerst den Magneten an, sammelte alles Magnetische – ob lebendig oder tot –, bis kein Platz mehr auf seinem Wagen war. Dann erst schrie er seine Warnung hinaus.

»Aaaalte Eiissssseeeeeen!«

Bei solch einer Aktion stieß er zufällig auf den Bleikopf, der einen scharfen Eisennagel vor dem Magneten zu schützen versuchte. Vergeblich.

Schweißfunken sprühten von seiner glühenden Glatze, als er vor dem Schrottwagen herlief. Der arme Bleikopf stürzte, versuchte fortzurollen, doch auf gerader Steppe rollte es sich schlecht. Er wehrte sich – zu rasch lahmten Arme und Beine. Ihm blieb nur, laut zu schreien. Hilfe nahte nicht. Der Bleikopf ergab sich seinem Schicksal, das – aus sicherem Abstand betrachtet – schlimmer hätte enden können.

Mit sechs Diamant-Fingernägeln der rechten Hand klackerte der Schrottmann über das aus Kupfer bestehende Lenkrad. Klack, klackklack klack. Und schneller: Klackklackklackklackklack.

Ein Stück des Weges wolle er den Bleikopf mitnehmen, bis er sich ausgeruht habe, versprach er ihm, und eine Kopfstütze, die das Tragen seines schweren Kopfes erleichterte. Ein lieber, hilfsbereiter Onkel – der Schrottmann?! Ängstlich, aber hoffnungsvoll ergab sich der Bleikopf in dessen Hände.

Zu seinem Bleikopf trug er nun Blei an den Beinen und hockte auf dem Führerhaus, einer Galionsfigur gleich. In seinen gefesselten Händen hielt er eine Kurbel aus Metall.

Eine Lochkarte mit vielen winzigen Metallnoppen überdachte die Pritsche und schützte all das gesammelte Schrottgut vor Regen. Der letzte Regenguss war Jahre her.

Hatte der Schrottmann genug Metall gesammelt, fuhr er zu seinem Schrottplatz zurück. Dann nahte des Bleikopfs Auftritt.

»Dreh, Bleikopf! Dreh!«, rief der Schrottmann und der Bleikopf gehorchte. Mit der Kurbel drehte er die Lochkarte und spielte zum Abschied die Melodie eines Kinderliedes, das über das Land kreischte und all denjenigen in den Ohren schmerzte, die welche besaßen.

Kurbelte der Bleikopf nicht schnell genug, fuhr der Schrottmann mit seinen Fingernägeln über des Bleikopfs Hinterkopf und hinterließ Schrammen wie eingeritzte Haare. Schmerzhaft für den Bleikopf, und doch schön anzusehen.

 

Einmal wagte sich die Flitzpiepe aus ihrem Versteck, bevor die Melodie erklang. Vorwitzig, geboren in dieser Zeit, fürchtete sich die Flitzpiepe vor dem Bösen nicht. Allen Ermahnungen des Klingelmäuschens zum Trotz, wollte sie einen Blick riskieren und wissen, ob die Geschichten über den Schrottmann der Wahrheit entsprachen. Ihre Neugier wurde befriedigt – und bestraft. Der Schrottmann schnappte sich die Flitzpiepe, sie ward nie mehr gesehen. Kein Einzelfall.

Abgesehen vom Prahlhans, der von seinem dramatischen Kampf mit dem Schrottmann fortwährend berichtete. Von Blut, Schlägen und Folter erzählte er, als hätte er jahrelang im Krieg gegen die Goldgelockten-Giganten-Greislinge gekämpft – allein natürlich. Am Ende lobte er seine Schläue, diesem Bösen von der rostigen Schippe gesprungen zu sein, ohne eine Schramme davon getragen zu haben. Die Umstehenden wunderten sich nicht, dass der Erzählende anschließend an Maulsperre litt und die Schnauze zu groß für den Kopf erschien. Als Held rühmte er sich, ein geschwätziger war er in jedem Fall.

Tatsächlich war es nur dem Klingelmäuschen gelungen, vom Platz des Schrottmanns zu fliehen. Kein Kampf. Es hatte sich totgestellt – und die Chance zur Flucht genutzt. Gruselige Geschichten wusste es zu erzählen, die von Leid und Gewalt handelten, nicht von Freiheit, niemals vom Tod. Denn dieser hätte die Freiheit verschenkt, verziert mit einer roten Schleife, gebunden von der Erlösung. Aber der Tod wusste in diesen Zeiten keine Geschenke zu gestalten. Mit zittriger Stimme und leisem Plimp berichtete das Klingelmäuschen vom Schrottmann, dessen Arme hervorschnellten wie die Zunge einer Kröte. Die sechs Finger der rechten Hand bestanden aus Osmium, mit Fingernägeln aus Diamantsplittern, schärfer als die Krallen eines Tigers. Die linke war kalkweiß, mit überlangen Fingern, als habe er diese Hand dem toten Hibbel abgetrennt und einen Daumen dazu geklebt. Mit Zähnen aus rostigem Stahl kaute er Nägel wie andere Grashalme. Nur die Schneidezähne des Schrottmanns waren weiß wie Schnee, eckig, wie ein gleichschenkliges Dreieck und spitz, als gehörten sie einem Vampir.

Sagen besagten, er habe sie Dracula gestohlen. Doch diese Erzählungen wurden nicht weitergesponnen und neue nicht mehr erfunden – hier im Land der Phantasie. Hier, in dem Land, das Niemandsland geheißen hatte. Der Schrottmann kannte die Wahrheit, hatte sie eingeschlossen, in einem Käfig aus Stahl und auf dem Schrottplatz versteckt.

 

Mit der Sonne im Nacken – seiner heißen Verbündeten – fuhr der Schrottmann durch das Land, das einst von Niemand regiert werden sollte. Tag für Tag. Auf der Suche nach allem, was er liebte.

Und weil er nicht gestorben ist, fährt der Schrottmann noch heute durch das Land, das einst Niemandsland hieß.

 

So ähnlich endeten Geschichten, die mit Es war einmal begannen. Doch in diesem Märchen bedeutete das nichts Gutes.

Dieses Land erlebte Katastrophen. Eine, zwei, drei.

Das Schlimmste trug tausend Namen und brachte Dürre, Verderben und Angst.

 

 

KAPITEL

 

 

Die Luft roch nach Sommergewitter mit einem Hauch frisch gemähter Wiese. Nach mehreren Tagen der Trockenheit hatte es geregnet. Die Lichtkegel der Straßenlaternen spiegelten sich im nassen Asphalt. Sie hörte Schritte hinter sich, die auf der feuchten Straße platschten. Nicht zum ersten Mal. Nina drehte sich um. Doch dort war niemand.

Niemand.

Nina ging schneller.

 

In den letzten Monaten hatte Nina nur dann nicht an das Land gedacht, das sie Arschkriecher, Arschlöcher, den Feigen Hund und einen Drecksack zu lieben gelehrt hatte, wenn sie schlief. Im Traum begegnete sie der ABK, die sie Lilly getauft, und dem Wurzelmännchen, auf dessen knorriger Schulter sie gesessen hatte. Hinter geschlossenen Lidern kämpfte sie ihre Schlacht gegen die Rote Armee. Tote und deren Seelen, eingesperrt in Edelsteinen, verewigt auf dem Thron, wanderten durch ihre Albträume. Und sie träumte von dem Jungen, der inzwischen ein Mann geworden sein musste, den sie zurückgelassen hatte, in diesem Land. In ihrem Land. Zehn Jahre war sie der Grenze ferngeblieben. Zehn Jahre, in denen sie zwischen Realität und ihren Träumen nicht zu unterscheiden wusste. Nina hatte mit keiner Menschenseele darüber gesprochen, bis ihr selbst alle Erinnerungsbilder unwirklich erschienen waren.

Besäße sie Mut, würde sie die Zweifel ausräumen und die Wahrheit herausfinden. Aber sie mied den Wald und war sich des richtigen Weges nicht sicher.

 

Die Schritte wurden lauter. Seit ihrer Rückkehr aus den USA hörte sie den Gang eines Mannes hinter sich. Jede Nacht, wenn sie von der Arbeit kam – sie kellnerte in einer Bar – tauchte er auf. Sie hatte eine Anzeige bei der Polizei aufgeben wollen, doch die Beamten hatten abgelehnt. Gegen wen, hatten sie gefragt, einen Unsichtbaren? Und sie ausgelacht. Kacknasen.

 

Zum ersten Mal traute sich ihr Verfolger dichter an sie heran. Wie die Schritte eines Stalkers. Ein Spinner in jedem Fall. Er zeigte sich ihr nie. Nina überquerte die Straße und folgte der Allee in Richtung U-Bahn. Nach dem Unwetter schien der Ort wie ausgestorben. In dieser Nacht. Sie hatte Angst.

 

Ihren Mut musste sie dort gelassen haben, wohin ihr Herz sie drängte und wovon ihr Verstand sie fernhielt. Erst wenn sie sicher war, dass dieses Land, ihr Land, existierte, würde sie die Grenze überschreiten. Dann.

Wie feige.

 

Auf dem Bürgersteig lagen abgebrochene Äste, Blätter und Blüten, die der Platzregen heruntergepeitscht hatte, nicht ohne Hilfe des Sturms, der bei diesen heißen Temperaturen das atmosphärische Gleichgewicht zurückzubringen versuchte. Die Luft hatte sich deutlich abgekühlt. Sie zog die Strickjacke enger.

Sie rannte nicht. Ihr Puls raste, die Furcht packte sie im Nacken.

 

In ihrem Leben hatte Nina nur drei Unsichtbare kennengelernt, einer war von der Roten Armee eingenommen worden und verschwunden, ein weiterer war sichtbar geworden, nachdem er gestorben war. Und der dritte? Kein Wesen hatte die Grenze jemals überschritten, außer ihr.

Nicht wahr?

Nina hatte ihrer Familie nie erzählt, dass sie den Nikolaus umarmt und mit Jesus an einem Tisch gesessen hatte. Alle hätten sie für verrückt erklärt, ihr empfohlen, die Phantasiegebilde aufzuschreiben und sie für diese Geschichten ausgelacht. Nur darum hatte sie in den letzten zehn Jahren verschwiegen, dass sie mutierte Kröten getötet, Elfentränen getrunken und Niemand mithilfe seines Namens zum Leben erweckt hatte. Niemand hätte ihr geglaubt.

Niemand – ja, aber sonst kein Mensch.

In ihrem für sie fremd gewordenen Kinderzimmer taufte sie Stofftiere, Playmobilfiguren oder Puppen auf die Namen Ruben, Malik, Baptist. Spielzeugen ohne Gesicht malte sie Augen, Nase und Mund mit Filzstiften auf. Sie hatte nie wieder damit gespielt und beim Umzug alles zurückgelassen. Kein Ersatz für Niemand.

 

Die Zeit nagte an der Wahrheit. Nina wünschte sich, dass dieses tief in ihrem Herzen begrabene Gefühl der Realität entsprach.

Wann fühlte sie sich alt genug, um zu verstehen – wann, um zurückzukehren? Sie fürchtete sich.

Der Weg zur U-Bahn kam ihr länger vor. Nina hörte den Atem ihres Verfolgers, sie drehte sich abrupt um. Nichts, außer Dunkelheit und Schatten. Verrückt. Sie ging schneller, die Schritte hinter ihr hielten das Tempo.

 

Ihre Eltern hatten geschimpft, damals, als Nina wieder nach Hause gekommen war, und sie auf ihr Zimmer geschickt. Hausarrest hatte sie bekommen, als habe sie eine schlechte Note geschrieben oder die Lieblingstasse ihrer Mutter zerschlagen. Nur Suse hatte sie in den Arm genommen und geflüstert, es täte ihr leid. Dieses einzige Mal hatte sie sich ihrer Schwester nah gefühlt. Zwölf Wochen später waren ihre Eltern nach Oklahoma gezogen. Nina musste mit. Niemand hatte ihr vorher davon erzählt.

Für einen Atemzug schloss Nina die Augen. Sehnsucht schmerzte verdammt stark. Niemand. Niemand hätte sie gefragt. Er. Bevor sie ihn verlassen musste, hatte sie ihn getauft und zum Leben erweckt: Ruben Malik Baptist I. Warum war sie gegangen? Sie erinnerte sich nicht.

Sie war mit anderen Jungs, später waren es Männer, zusammen gewesen. Doch kein Kuss hatte diesem ersten, dem von Niemand, geglichen. Sie strich sich über die Lippen. Ein Traum, der sich real anfühlte. Ihr Herz klopfte rascher.

 

Und überschlug sich. Nicht vor Liebe. Angst war der Antrieb. Die Schritte des Verfolgers ertönten im Marsch ihres Pulses.

Rrrummrrrummrrrummrrrummrrrummrrrummrrrummrrrumm.

Ein vertrauter Klang, der ihr Furcht einjagte und gleichzeitig Sehnsucht weckte.

Eine schweigende Bedrohung, der sich Nina nicht gewachsen sah. Sie hatte sich eine kleine Flasche Pfefferspray gekauft und ein Springmesser besorgt. Nur im Notfall durfte sie beides verwenden, hatte der Verkäufer ihr eingeschärft, sonst gäbe es Ärger mit den Bullen. Dann war er ein Stück näher an sie herangetreten, seine Stirn dicht an ihrer Wange, der Atem stank nach Zwiebeln und Bratwurst. »Ich kann dir auch eine richtige Waffe besorgen. Für den echten Notfall.«

Beim Rausgehen rief er ihr hinterher: »Das Messer hast du nicht von hier.«

Ist klar.

 

Bis zum heutigen Tag hatte ihr Verfolger Abstand gehalten. Er kam näher, der Mann mit den Schritten, körperlos.

Sie kannte wenige, die einem Geist ähnelten, und keiner davon gehörte in diese Welt. Aber in ihre. In ihr Land. In das Niemandsland.

Meinungen zum Buch

Ich habe das Buch abgebrochen :)) Nicht, weil es schlecht ist, sondern weil es so wunderbar ist, dass ich es mir für eine Zeit aufheben will, wenn es mir richtig dreckig geht und ich eine märchenhaft poetische Flucht aus dem Alltag brauche. Die ersten 50 Seiten haben mich sprachlos zurück gelassen, das toppt sogar die Herbstlande. Was für ausgefallene Figuren und welch Liebreiz in jedem Wort. Einfach nur schön. – Petra Berger, Facebook

Aus Oma Hempels Nähkästchen

»Niemand« und »Niemand Mehr« sind Herzprojekte, weit entfernt vom Mainstream und allem, was es bisher auf dem Buchmarkt zu lesen gab. Doch, ja, das behaupte ich frech und dreist und voller Stolz.

Aus Oma Hempels Nähkästchen

In »Niemand« und »Niemand Mehr« achte ich darauf, jedes Wort exakt zu setzen und zu verwenden.
Ich packe all das ins Niemandsland, was in einen “normalen” Roman sprachlich nicht hineingehört oder nur selten verwendet werden sollte.
Phrasen, Schimpfwörter, Sprüche, Redewendungen – alles wahrhaftig, dort im Niemandsland.

Oma Hempel aus "NIEMAND - Mehr!"

Oma Hempel aus “NIEMAND – Mehr!”

Die Schreibprozesse dauerten viel länger als an einem herkömmlichen Roman, bei dem ich nicht – im wahrsten Sinne des Wortes – alles auf die Goldwaage lege. Perfektionismus³ im Niemandsland!

Wer sich ins Niemandsland traut, muss sich Zeit nehmen, das Buch zu lesen. Seiten überfliegen? Von der ersten in die vierte Zeile rutschen, damit der SUB schneller abgearbeitet wird?  Funktioniert nicht mit Niemand. Das wissen all diejenigen, die die Bücher bereits gelesen haben.

So schreibt Petra Berger auf Facebook: Ich habe das Buch abgebrochen :)) Nicht, weil es schlecht ist, sondern weil es so wunderbar ist, dass ich es mir für eine Zeit aufheben will, wenn es mir richtig dreckig geht und ich eine märchenhaft poetische Flucht aus dem Alltag brauche. Die ersten 50 Seiten haben mich sprachlos zurück gelassen, das toppt sogar die Herbstlande. Was für ausgefallene Figuren und welch Liebreiz in jedem Wort. Einfach nur schön.

Doch in diesem Detail liegt auch das Problem. Mainstream verkauft sich super, Kleinode nicht.
»Niemand« und »Niemand Mehr« sind (und bleiben vermutlich) Geheimtipps für den gehobenen Leseanspruch. Denn in unserer schnelllebigen Zeit bleibt kaum Platz für das Andere. Wie bezeichnete der Fabylon Verlag die Bücher? Literarische Fantasy.
Nehme ich an. Denn so möchte ich das!

In einigen Jahren, irgendwas zwischen fünf und zehn, wird es einen Band 3 geben, vielleicht früher, vielleicht später. Die Handlung steht, angefangen habe ich auch schon. Ich sammle weiter Wörter und Redewendungen, und immer dann, wenn ich Zeit finde, gehe ich ins Niemandsland und besuche die Niemandsländer, dann baue ich ihnen eine Brücke oder eine neue Bleibe, ich konfrontiere sie mit Bösewichten – den bösen Wichten – und stelle sie auf die Probe, die auf wackeligen Balken irgendwo Mitten im Wald steht. Und dann – irgendwann – kannst auch du ins Niemandsland zurückkehren.

Niemand - Der Film